Mindstar 03 - Die Nano-Blume
meisten fürchtete – daß er Spaß an der Sache fand, sich an die guten alten Zeiten erinnerte, daran, wie es früher war, die Erregung und die Gefahr. Als sie sich kennengelernt hatten, war Eleanor mehr als nur ein bißchen von der Romantik beeindruckt gewesen, die die Arbeit eines Privatdetektivs umgab. Heute trug die verflossene Zeit dazu bei, die Jahre vergessen zu machen, die dem vorausgegangen waren, die Zeit auf den Straßen von Peterborough; der natürliche Abwehrmechanismus des Gehirns filterte den Schmerz und die Qual aus, die mit den Trinities verbunden waren. Wenn er jedoch wirklich daran zurückdachte, waren ihm diese Augenblicke wieder präsent, auch wenn sie sich außerhalb des Feuerscheins im Dunkeln bewegten.
Eleanor brauchte sich keine Sorgen zu machen, entschied er, jedenfalls nicht wirklich. Die Verfolgung von Charlotte Fielder stand nicht im Begriff, die männliche Menopause auszulösen. Die gegenwärtige Ermittlung hatte sowieso etwas leicht Unwirkliches an sich – im Stil eines Millionärs von Ort zu Ort gondeln, während sich Victors Abteilung und Julias NN-Kerne auf jede aufgedeckte Tatsache stürzten und eine Flut von Profildaten produzierten. Alles sehr schnell und schmerzlos.
Tatsächlich wäre sein Interesse rein abstrakter Natur gewesen, hätte es ihn nicht so gelockt, mit Baronski zu sprechen; es grenzte fast an Ungeduld. Die Pegasus mußte über Land unterschallschnell fliegen. Ihm war das zuwider, wo er doch wußte, wie schnell diese Maschine werden konnte.
Noch etwas anderes trug allerdings zu seiner Stimmung bei, etwas Dunkleres. Die Intuition vermittelte ihm das Gefühl, daß die Zeit knapp wurde. Er hatte das Suzi gegenüber noch nicht eingestanden.
Der Flachbildschirm am vorderen Schott zeigte die österreichischen Alpen, die unter dem Flugzeug dahinglitten. Sie erinnerten Greg an die grönländische Küste, nachdem das Eis geschmolzen war, eine Kette aus leblosem Gestein, narbig und fleckig. Er sah massive Erdrutsche, wo die Kiefernwälder abgestorben waren und den Erdboden schutzlos den sintflutartigen Regenfällen überlassen hatten. Dicke schäumende Wildwasser schlängelten sich durch jedes Tal, rissen weitere Erde mit und überfluteten das Weideland. Die Wiederaufforstung schritt nur langsam voran, denn die mit der ökologischen Regeneration beauftragten Arbeitsgruppen mußten Schutzschirme um ihre Plantagen errichten. Aus der Luft wirkten sie wie grüne Rechtecke, die sich schutzsuchend in den Windschatten der Berge schmiegten, zerbrechlich und anfällig. Aber überall erblickte man neue Staudammprojekte, und Bänder aus tiefblauem Wasser sammelten sich in den tieferen Schluchten. Der erzeugte Strom wurde zum größten Teil an die Cyberfabriken der Kombinate in Deutschland verkauft. Österreich verfügte nur über wenig eigene Schwerindustrie, obwohl niedrige Steuern und großzügige Gentechnikgesetze nach der Erwärmung Investitionen im biotechnischen Bereich angelockt hatten. Event Horizon unterhielt mehrere Forschungszentren im Land, wußte Greg, und ebenso sein Hauptkrankenhaus in Liezen. Er hatte dort selbst einige Zeit verbracht und sich erholt, nachdem er die Leute ausfindig gemacht hatte, die hinter dem Virusangriff auf Philip Evans’ NN-Kern steckten. In Liezen hatte er auch Eleanor den Heiratsantrag gemacht.
Er lächelte, als er daran zurückdachte, und wandte sich dann wieder seinem Cybofax zu, das Baronskis Datenprofil zeigte. Dimitri Baronski war siebenundsechzig, ein russischer Emigrant, der mit dreiundzwanzig das Mutterland als Austauschstudent verlassen hatte und nie zurückgekehrt war. Zehn Jahre lang hatte er als PR-Funktionär des Tuolburz-Kombinats gewirkt, nur um dann entlassen zu werden, weil er zu viele Prozente von den Mädchen und Jungen abgeschöpft hatte, die er Geschäftsleuten auf Besuch liefern mußte. Darauf folgten einige Verhaftungen für Zuhälterei, und einmal als Hehler für gestohlene Kunst. Vor fünfzehn Jahren war ihm dann die Idee gekommen, Begleitservice für reiche Leute anzubieten und dabei mehr auf Qualität als auf Quantität zu setzen. Er vermittelte seinen Mädchen eine Benimmschulung, die mit jedem Schweizer Pensionat mithalten konnte, und präsentierte sie diskret der europäischen Gesellschaft. Er hatte zu jeder Zeit etwa fünfzehn Mädchen im Einsatz, und die Informationsfetzen aus dem Bettgeflüster, die sie ihm lieferten, brachten ihm pro Jahr etwa eine Dreiviertel Million Eurofrancs an der Börse ein. Es hätte
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