Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Minerva - sTdH 1

Minerva - sTdH 1

Titel: Minerva - sTdH 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Chesney
Vom Netzwerk:
spielte. Sie befreite ihre Hand aus seiner,
begrub beide Hände in ihrem Schoß und starrte ihn trotzig an.
    »Sie sind
ein schwieriger Fall«, murmelte er. »Vergessen Sie Ihr Essen nicht.«
    Zu Minervas
Überraschung begann er leichthin über dies und das zu sprechen und wurde wieder
ganz der kühle und elegante Fremde. Wieder machte sie die Erfahrung, daß sie
dabei das seltsame Gefühl hatte, als sei ihr etwas verlorengegangen,
und zu ihrem eigenen Erstaunen stellte sie fest, daß sie ein bißchen zu flirten
begann, über seine Geschichten lachte und versuchte, ihn mit eigenen
Geschichten zu unterhalten.
    »Lady
Godolphin ist in Wirklichkeit eine ganz gute Seele«, sagte Minerva. »All ihre
gewagten Reden und eigenartigen Aufzüge sind Teil eines Schauspiels.«
    »Das dürfen
Sie nicht glauben«, wandte er ein und spießte ein Stück westfälischen Schinken
auf seine Gabel. »Lady Godolphin ist auf ihre Art freundlich, aber sie ist
absolut unmoralisch und war es auch immer. Wenn Sie etwas anderes glauben,
dann steht Ihnen ganz sicher ein Schock bevor.«
    »Mein Vater
hätte mich nicht zu ihr geschickt, wenn sie so übel wäre, wie Sie sagen«,
antwortete Minerva. »Ich weiß, daß er manchmal mehr wie ein Jäger als wie ein
Geistlicher wirkt, aber er würde nicht einen Augenblick lang verzeihen ...«
    »Er hat
Lady Godolphin nicht mehr gesehen, seit er ein junger Mann war, und sie war
eine leichtlebige Schönheit, die ihren ersten Witwenstand feierte. Ja, schauen
Sie mich nur mit Ihren riesigen Augen an. Aber Ihr Vater hat mir versichert,
daß Lady Godolphin einmal das hübscheste Ding in ganz London war. Aber um zu
uns zurückzukehren. Wenn Sie fertig sind, gehen wir langsam in den Ballsaal
zurück.« Er hielt seinen Kopf ein bißchen schräg und lauschte auf eine schwache
Trompetenfanfare. »Der Prinzregent ist angekommen.«
    »Oh, ich
muß ihn sehen. Meine Familie wird alles über ihn wissen wollen. Sie würden mir
nie verzeihen, wenn ich ihn nicht gesehen hätte.«
    »Dann
müssen wir uns beeilen«, lächelte er und legte seine Serviette neben den
Teller.
    »Er hat
vor, nur ein Viertelstündchen zu bleiben. Er soll sich nicht wohl fühlen, aber
sogar er muß kommen, wenn die Gräfin ruft.«
    Als sie
wieder draußen auf dem Weg waren und sich der Menge anschlossen, die dem als
Ballsaal dienenden gestreiften Zelt zueilte, führte er sie vom Hauptweg auf
einen kleinen Pfad, der durch das dunkle Gebüsch führte.
    »Keine
Angst, Miß Armitage«, zog er sie auf. »Ich nehme nur den kürzesten Weg. Wir
gehen durch die Tür am anderen Ende und vermeiden so das Gedränge auf dieser Seite.«
    »Vorhin
haben Sie mich Minerva genannt«, sagte Minerva, ehe sie es recht wußte.
    »Ja, aber
das war, als ich in Sie verliebt war. Das war, als einen Augenblick lang Ihre
schwarzen Augen leuchteten wie Sterne, die sich in einem See spiegeln. Du hast
ungeheuer faszinierende Augen, Minerva. Bei Tageslicht sind sie grau wie
Wasser im Winter, in der Abenddämmerung sind sie silbern, und bei Nacht sind
sie schwarz. Ich möchte diese Sterne wieder leuchten sehen. Was kann ich tun,
um sie an deinem Himmel anzuzünden?«
    Sie
näherten sich dem Ende des Pfades; die Orchestermusik und das Stimmengewirr
waren nun deutlich in der Abendluft zu hören.
    Bevor sie
wußte, wie ihr geschah, hatte er seinen Arm um sie gelegt und sie so
schwungvoll zu sich herumgedreht, daß sie ihm beinahe in die Arme fiel.
    »Lassen Sie
mich los, Mylord«, flüsterte sie. »Sonst schreie ich.«
    »Nein. Du
küßt mich!«
    »Mylord,
ich ...«
    »Küß mich,
Minerva!«
    Seine
Stimme war tief und zärtlich. Seine Augen glänzten im Mondschein, und ein
angedeutetes Lächeln spielte um seinen schönen Mund.
    Er drückte
sie an seine breite Männerbrust, und sie fühlte tief innen einen beängstigenden
Aufruhr ihrer Sinne. Sie hatte das Gefühl, als ob ihr Körper dahinschmelzen und sich
heißglühend mit seinem vereinigen würde. Seine Hand liebkoste ihren Nacken. Sie
konnte ein leises, halb ersticktes Stöhnen nicht unterdrücken.
    »Hast du
Angst, deinen Bruder, deinen treuen Ratgeber zu küssen?« neckte er sie. »Komm,
Minerva, meine Liebe, du brauchst sicher dringend Übung. Und wer sollte uns
schon sehen?«
    »Es könnte
uns durchaus jemand sehen.«
    »Nur der
Mond.«
    »Lassen Sie
mich los«, bat Minerva wieder, verschreckt durch das seltsame, heftige
Verlangen, das sich ihrer bemächtigte.
    »Dann küß
mich!«
    »Also gut«,
antwortete Minerva und gab ihm

Weitere Kostenlose Bücher