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Minerva - sTdH 1

Minerva - sTdH 1

Titel: Minerva - sTdH 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Chesney
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Dame.«
    Minerva
tanzte und tanzte, bis ihre Füße und Knöchel schmerzten. Sie tanzte, bis die
rosige Morgendämmerung das Lampenlicht verblassen ließ. Nicht einmal kam Lord
Sylvester in ihre Nähe. Aber sicher würde er ihr am Morgen einen Besuch
abstatten. Es war Sitte, daß einem die Tanzpartner am Tag nach dem Ball die
Ehre erwiesen.
    Aber nach
dem Ball der Aubryns hatte er einfach durch seinen Diener eine Karte schicken
lassen. Man mußte nicht persönlich erscheinen. Es könnte also sein, daß er
nicht kam. Und sie machte sich nichts daraus.
    Minerva war
froh, als Lady Godolphin zum Aufbruch mahnte.
    Lady
Godolphin war ziemlich angeheitert, aber voll des Lobes für Minerva. »Ich muß
schon sagen, du bist ein gutes und anständiges Mädchen«, sagte sie warm. »Du
darfst mir jeden Abend etwas vor dem Einschlafen vorlesen.«
    Minervas
Schmerz ließ bei diesen Worten etwas nach. Lord Sylvester befand sich um
Unrecht, was Lady Godolphin
betraf. Sie war lediglich exzentrisch, aber nicht etwa eine unmoralische
Lebedame, wie Lord Sylvester behauptet hatte.
    Lady
Godolphin sagte »Gute Nacht«, sobald sie zu Hause waren, aber erklärte, sie sei
zu erregt, um auch nur ein Auge zuzutun, obwohl es schon halb sieben Uhr morgens
war.
    Als Minerva
in ihrem Bett lag, merkte sie, daß sie ebenfalls zu aufgeregt war, um schlafen
zu können.
    Sie drehte
und wälzte sich etwa eine Stunde lang herum und lauschte den Geräuschen der
erwachenden Straßen.
    Schließlich
kam sie auf die Idee, in Lady Godolphins Schlafzimmer zu gehen und ihr
vorzulesen, falls sie wach war. Das würde sie beide beruhigen.
    Minerva
schlüpfte in ihren Umhang, nahm einen Gedichtband und machte sich leise auf
den Weg zu Lady Godolphins Räumen. Sie zögerte vor der Tür und lauschte. Sie
hörte Lady Godolphins Stimme undeutlich durch die Wandverkleidung.
    Minerva
lächelte. Bedauernswertes, komisches, altes Wesen, führt Selbstgespräche. Sie
klopfte vorsichtig an die Türverkleidung.
    »Wer ist
da?« schrie Lady Godolphin.
    »Ich!
Minerva.«
    »Geh weg!«
    »Ich weiß,
was das beste für Sie ist«, sagte Minerva in gouvernantenhaftem Ton. »Ich komme
zu Ihnen und lese Ihnen vor, bis Sie schlafen.«
    »Nein ...«,
begann Lady Godolphin, aber Minerva stieß schon die Tür auf.
    In Lady
Godolphins Bett bewegten sich die Decken und Kissen hastig hin und her und auf
und ab.
    Minerva
zündete eine Kerze auf dem Toilettentisch an und trug sie zum Bett.
    Lady
Godolphin starrte sie mit weit aufgerissenen Augen an. Die Bettdecken bildeten
einen unordentlichen Haufen um sie herum.
    »Geh weg«,
sagte Lady Godolphin entschlossen. »Laß mich allein, Minerva!
    »Aber,
aber«, schalt Minerva und zog sich einen Stuhl heran. »Ich lese Mama oder
meinen Schwestern oft vor, wenn sie nicht schlafen können. In diesem Buch sind
sehr schöne Gedichte. Ich fange an:
    »›Horcht!
Auf, meine Kameraden,
    Auf, auf
zum munteren Jagen.
    Zu den
Freuden, die süße Bewegung
    Uns bringt.
    Der helle
Morgen fängt an zu tagen ...‹«
    An dieser Stelle prustete Lady
Godolphin los und schlug auf ihre Bettdecke.
    »Lassen Sie
mich Ihr Bett machen«, sagte Minerva und stand auf.
    »Nein!«
schrie Lady Godolphin.
    »Sehr
wohl«, gehorchte Minerva und setzte sich wieder.
    »›Er lädt
uns ein, er lächelt, er winkt.
    Horcht!
Auf! tönt der Ruf, und fröhlich ...‹«
    »Deine ganze Familie ist offenbar aufs
Jagen versessen. Geh jetzt, Minerva! Ich bin müde«, sagte Lady Godolphin sehr
ärgerlich.
    Minerva
schaute sie voller Zweifel an. Lady Godolphins Augen traten hervor, und der
kalte Schweiß stand ihr auf der Stirn.
    »Wenn Sie
meinen, gnädige Frau«, sagte sie, widerstrebend das Buch schließend. »Sie
scheinen Fieber zu haben.«
    »Weshalb
ich lieber in Frieden gelassen werde«, schnauzte Lady Godolphin. »Wenn du nicht
augenblicklich gehst, Minerva, werfe ich dir den Nachttopf an den Kopf. «
    »Verzeihen
Sie, Mylady«, entschuldigte sich Minerva. »Ich wollte Sie auf keinen Fall
verärgern. Es war nur ...«
    »Bitte! Geh
jetzt!« stöhnte Lady Godolphin.
    Minerva
blies die Kerze aus und ging auf Zehenspitzen zur Tür. Draußen schien die Sonne
hell, aber im Zimmer war es ziemlich dunkel wegen der dicken Vorhänge und der
Fensterläden.
    Sie schloß
vorsichtig die Tür hinter sich und blieb unschlüssig stehen. Vielleicht hätte
sie nicht gehen sollen. Lady Godolphin sah krank und mitgenommen aus.
    Vielleicht
sollte sie nach dem Arzt schicken.
    Ganz leise
öffnete Minerva die

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