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Minerva - sTdH 1

Minerva - sTdH 1

Titel: Minerva - sTdH 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Chesney
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nicht heiraten wirst, Minerva. Dein ganzes Aussehen
hilft dir nichts, weil du immer so fromm tust. Dein Getue macht dich regelrecht
abstoßend!«
    Minervas
Augen füllten sich mit großen Tränen, die langsam und unaufhaltsam ihre Wangen
hinabflossen.
    »Annabelle«,
sagte sie mit erstickter Stimme. »Ich war immer überzeugt, daß wir uns mögen.
Sollte ich mich irren?«
    »Nein,
nein, Merva«, seufzte Annabelle. »Ich bin nur so furchtbar neidisch, das ist
alles. Bitte trockne deine Tränen. Wir wollen nicht mehr darüber reden. Ich bin
ganz schön müde. Du verzeihst mir doch, oder?«
    Und
natürlich verzieh ihr Minerva. Es war undenkbar, daß sie es nicht getan hätte.
    Aber sie
lag noch lange wach, nachdem Annabelle eingeschlafen war, und starrte in die
Dunkelheit.
    Minerva
mußte sich eingestehen, daß sie Angst hatte. Es war ihr klar, daß auf ihren
Schultern eine schwere Verantwortung lastete. Sie mußte heiraten und zwar
einen reichen Mann.
    Sie war
bedingungslos bereit, sich für das Glück ihrer Familie aufzuopfern, da das die
einzige ihr bekannte Möglichkeit war, selbst glücklich zu sein. Irgendwo, tief
in ihrem Inneren hielt Minerva nicht viel von sich, und deshalb bedeutete ihr
das Gefühl, gebraucht zu werden, sehr viel. Aber sie war vernünftig genug, zu
erkennen, daß ihr Aussehen allein nicht genügte, um auf einen geeigneten
Partner anziehend zu wirken.
    Ihre
Cousinen, Josephine und Emily, hatten nichts anderes im Sinn als die Kunst,
Männer anzulocken. Minerva hatte sie deswegen immer bemitleidet. Jetzt war sie
selbst mit der harten Realität konfrontiert.
    Jetzt mußte
sie sich auch mit solchen Tricks beschäftigen. Minerva fragte sich, ob sie die
Cousinen bitten sollte, sie zu unterweisen, aber kaum war ihr dieser Gedanke
gekommen, so schreckte sie auch schon davor zurück.
    Wie viele
Menschen betete auch sie zu einem Gott, der ihren eigenen Vorstellungen
entsprach. Da sie sehr streng gegen sich war, stellte sie sich Gott auch als
einen unerbittlichen Richter vor, der allzeit gegenwärtig war, um auch den
kleinsten Fingerbreit, den man vom geraden und engen Pfad der Tugend abwich, zu
bestrafen.
    Er lehnte
bestimmt die Raffinessen und Nichtigkeiten der feinen Gesellschaft ab.
    Aber ganz
bestimmt gab es irgendwo in ganz London – und das hieß London vom Kensington
Palast bis St. James – einen zuverlässigen, wertvollen Mann mit hohem Niveau,
der ihr bei der schwierigen Aufgabe, die jüngeren Armitages großzuziehen,
behilflich war.
    Dieser Mann
war wahrscheinlich nicht besonders schön, aber er war ernsthaft und hatte einen
guten Charakter.
    Sie würden
nicht viel tanzen, sondern lieber zusammen sitzen und über wichtige Themen
reden. Vielleicht würde sie ihm erlauben, ihre Hand zu drücken! Aber bei dieser
Andeutung von Zärtlichkeit lief Minerva eine Gänsehaut über den Rücken, und ihr
Gewissen sagte ihr, daß ihre Gedanken eine entschieden sündige Wendung nahmen.
    So kehrte
sie zu dem ernsthaften Gespräch im Ballsaal zurück, und als sie einschlief,
fühlte sie sich so wohl, wie den ganzen Abend nicht.
    Am nächsten Morgen betrachtete sie die
ganze Geschichte wieder nüchterner und ruhiger. Die Saison war noch lange nicht
da. Es war November, und die Saison begann erst im April. Noch brauchte ihre
Familie sie.
    Vielleicht
wollte Lady Godolphin sie gar nicht, dann müßte Papa vielleicht einen anderen
Plan entwickeln, um Geld für die Armitages zu ergattern.
    Die Jungen
wurden von Mr. Pettifor, dem Hilfspfarrer, unterrichtet. Die Mädchen, mit
Ausnahme von Annabelle, mußten für die Schule fertiggemacht werden. Sie
besuchten ein Seminar für höhere Töchter in der nahe gelegenen Stadt
Hopeminster und wurden täglich im alten und quietschenden Reisewagen des
Pfarrers, der von zwei Ackergäulen gezogen wurde, hin und zurück gebracht.
    Minerva
eilte hin und her, suchte Handschuhe und flocht Zöpfe, überwachte das Servieren
des Frühstücks, schaute nach, ob die Hühner nicht etwa wieder im Wagen übernachtet
hatten. Da die Tür des Gebäudes, in dem die Wagen standen, oft aus Versehen
offen blieb, benutzten die Hühner und Gänse ihn scharenweise als Unterschlupf.
    Als endlich
alle vier jüngeren Mädchen im Wagen verstaut waren, weckte Minerva ihre
Schwester Annabelle. Dann schlich sie auf Zehenspitzen ins Zimmer ihrer Mutter,
um sich zu
versichern, daß ihre Morgenschokolade heraufgebracht und das Feuer angemacht
war.
    Sie wollte
gerade ihre Mutter wecken, als zu ihrer

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