Minus 0.22: Monster In Uns (German Edition)
unserer letzten Begegnung den Rat, meinem Leben etwas Farbe zu schenken. Ich konnte neu anfangen mit einer neuen Identität, einem neuen Leben und sogar der Möglichkeit, mich zu verlieben. Doch überall wo ich hinkam, versagten sie mir, dem berüchtigten Kartenspieler, das Recht zu leben, ja, sie versagten mir sogar das Recht meiner Stimme. Niemals würden sie auf jemanden wie mich hören. Letztendlich verlor ich sogar das, was mein graues Leben färbte. Diese Gerechtigkeit oder wie auch immer sie von all jenen Heuchlern geschimpft wird, nahm mir alles. Am Ende konnte ich mich doch nur mit Gewalt, sei es Sprengstoff oder meine blutigen Messer, ausdrücken. Einzig und allein meine Klingen ließen sie mir noch, das womit alles angefangen hatte.“
Das warme Feuer beleuchtete gleichmäßig das gezeichnete Gesicht des Kartenspielers. Die glasigen, giftgrünen Augen sahen Willi an.
„Wir können uns nicht ändern, Willi“, sagte der Kartenspieler und schritt näher. „Was wir auch versuchen, am Ende landen wir dort, wo alles begann: Wir ganz allein mit unserem Zorn. Das Schicksal ebnet uns keinen Weg, sondern führt uns in eine Sackgasse. Wir sind alle auf unsere Art Gefangene.“
Willi nahm den Kartenspieler keine Sekunde aus dem Visier. Der Kartenmann kam Willi entgegen und streckte seine Arme wie zu einer Umarmung aus.
„Was hast du vor?“, fragte Willi misstrauisch.
„Ich könnte einen Freund gebrauchen“, sagte der Kartenspieler mit zittriger Stimme und schwank auf Willi zu. „Wenigstens einen.“
Willi ging einen Schritt zurück und wich dem ersten Umarmungsversuch aus.
„Komm zu dir, Jack!“, schrie Willi.
„Es ist eine Sackgasse“, wiederholte der Kartenspieler und kam näher. „Willi, wir zwei sind ganz alleine auf der Welt. Sonst haben wir niemanden.“
Willi erinnerte sich an seinen Gedankengang zurück, als er verlassen von seinen Freunden am Strand saß. Auch er fühlte sich wie in einer Endlosschleife aus den immer gleichen Ereignissen, die ihn letztendlich dahin führten, wo er angefangen hatte. Seine Anstrengungen führten ihm schließlich doch vor Augen, was er war: Ein Außenseiter, eine Laune der Natur, in der Welt der Menschen, der eine Familie fand und sie doch wieder verlor. Jemand, der auf Liebe zwischen den Menschen und Tieren hoffte, Liebe zwischen zwei unterschiedlichen Welten mit verschiedenen Sprachen und Idealen. Ein Paradox, dass er hoffte auf seinem Weg Liebe zu finden, wobei er in der Menschenwelt mit dem Gegenteil startete: Zorn und Leere.
Der Kartenspieler umklammerte ihn, schmiegte seine Hände an sein Gefieder.
„Wir haben sonst niemanden“, wiederholte der Kartenspieler.
Willis Schicksal war wahrlich wie eine Sackgasse. Eine Sackgasse, die es zu durchbrechen galt.
„Es tut mir leid“, sagte Willi und drückte ab.
Der Schuss durchbohrte den Bauch des Kartenspielers. Die Wucht der Kugel riss ihn von Willi weg. Willi visierte erneut an, doch geistesgegenwärtig stellte der Kartenspieler jeglichen Annäherungsversuch ein und ging stattdessen auf Abstand. Der nächste Schuss riss ihm bloß ein Stück des Mantels ab.
„Du auch?!“, fragte der Kartenspieler entsetzt und drückte seine Hand auf die blutende Einschusswunde an seinem Bauch. „Du gehörst auch zu ihnen? Wir waren doch Freunde, Willi!“ Er keuchte, als ihm das Blut die Speiseröhre hochstieg.
Willi schloss die Augen und feuerte einen dritten Schuss ab. Der Kartenspieler sprang zur Seite und stürzte in die gierigen Flammen.
Willi schoss blindlings in die Flammen bis der Revolverhahn klickte. Erst dann öffnete er wieder die Augen und sah vor sich nur eine Sackgasse aus Feuer.
8
Frederick trug Emma den ganzen Weg bis vor Blutwäldchens Eingang. Er hielt sie in seinen Händen, während sie sich um seinen Hals klammerte. Emma war bereit, den Weg alleine zu gehen, aber Frederick bestand wieder einmal darauf, den Helden spielen zu können. Löckchen und Elvis folgten Frederick auf Schritt und tritt, nur Willi ließ sich weiter nach hinten fallen. Seit der Konfrontation mit dem Kartenspieler sprach er kein einziges Wort.
Emma lockerte ihren Griff um Fredericks Hals, als sie in der Dunkelheit etwas erkannte. „Schätzchen, lass mich bitte runter.“
Frederick tat wie ihm geheißen, beugte sich hinab und ließ Emma sanft absteigen.
Aus der Ferne sahen sie Zack und Lüc ihnen entgegen trotten. Lüc drückte ihr verheultes Gesicht gegen Zacks Schulter. Ungläubig sah sie auf, als Emma
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