Minus 0.22: Monster In Uns (German Edition)
abfederte, was allerdings seine Deckung vor dem zweiten Messer des Kartenspielers vernachlässigte. Diesmal durchschnitt die Klinge den linken Ärmel von Mantis Arztkittel. Statt Blut waren durchtrennte Kabel die Folge, die von der Elektrode an Mantis Handfläche in seinen Ärmel führte. Anschließend ließ der Kartenspieler sein Messer fallen, umgriff den Sensenstiel mit der rechten Hand. Mit einem Tritt in den Magen lockerte der Kartenspieler den eisernen Griff des Tierarztes, worauf es ein Leichtes war die Sense wegzureißen und in den Schnee zu befördern. Getroffen von dem Tritt des Kartenspielers ging Mantis in die Knie und fing seinen Sturz mit beiden Händen ab.
Der Kartenspieler blieb vor dem knienden Mantis stehen. „Das war’s. Ich bewundere deinen selbstlosen Einsatz um deiner Patienten Willen, dennoch solltest du über einen Berufswechsel nachdenken. Als Praktikant lebt es sich scheinbar gefährlicher als man denkt.“
Mantis ballte die Faust. „Manchmal sollte man doch noch eine zweite Trumpfkarte besitzen“, sagte er und schlug mit der Faust auf den Stiefel des Kartenspielers.
Der Kartenspieler sah amüsiert nach unten. „Ja, zerstör meine alten Treter. Nachher bekomme ich noch wegen den durchnässten Socken eine Erkältung.“
Mantis öffnete seine Faust und offenbarte die Spritze, deren Spitze er durch das Leder in den Fuß des Kartenspielers gebohrt hatte.
„Verdammtes ARSCHL...“ Der Kartenspieler nahm langsamer wie gewohnt mit seinem Messer aus, weswegen Mantis schnell genug zurückspringen konnte.
„Die guten alten Betäubungsspritzen“, sagte Mantis lächelnd. „Ein alter Trick von Doktor Kasper.“
Der Kartenspieler ging unfreiwillig in die Knie. Er spürte wie ihn die Kräfte verließen. „Bring es schon zu Ende, Doktor .“
„Ich bin ein Mann der Medizin und kein Mörder“, erwiderte Mantis und sah ihn mit seinen blaugrünen Augen an. Er fing an zu Lächeln, als er die Verbissenheit des Kartenspielers beobachtete. „Du hast dich nicht viel verändert, Jack .“
Der Kartenspieler machte große Augen. „Woher kennst du meinen richtigen Namen?“
Mantis gab keine Antwort.
„Oh nein...“ Langsam dämmerte es dem Kartenspieler, woher ihm Mantis Gesicht bekannt vorkam. „Nicht du... Oh nein, nein...“
„Gute Nacht“, sagte Mantis lächelnd.
Der Kartenspieler fiel in den Schnee. Paralysiert sah er Mantis hinterher, wie er sich zu Zack und Lüc begab. Bevor ihm die Augen zufielen, sah er wie der kämpferische Tierarzt seine beiden Patienten auf die Schultern hievte und davon spazierte.
2
Im Zigeunercamp wärmte sich der junge Berto am Lagerfeuer. Berto war mit gerade Mal 16 Jahren einer der jüngsten und kleinsten im Lager, dennoch hatte er vor einiger Zeit seinen Heldenmut bereits unter Beweis gestellt. Im Krieg verlor er bis auf seine Zeigefinger sämtliche Gliedmaßen an seiner Hand, was fatale Folgen für sein Leben hatte. Unter anderem fiel es ihm sehr schwer mit den wenigen Spielsachen, die sie im Zigeunercamp hatten, zu spielen. Am liebsten spielte er mit den Holzfiguren, die er letztes Weihnachten geschenkt bekam, doch aufgrund seiner Stummel, war es ihm ausschließlich mit seinen Füßen möglich, mit ihnen zu spielen. Seine Zehen umklammerten die gelenkigen Holzmännchen, während sich Bertos Cousine Vivicia eine der Figuren schnappte. Vivicia war die Augenweide im Zigeunerlager. Sie war eine rassige, schöne Frau mit braunen Haaren bis zum Hintern. Sie zückte ihren Lippenstift und zeichnete einer der Holzfiguren einen roten Kussmund. „Jetzt ist sie hübsch!“
„COUSINE!“, schrie Berto aufgebracht. „Du kannst meine Figuren nicht anmalen. Das sind stolze Krieger und keine Puppen!“
„Nein?“, fragte Vivicia. „Dann nimm sie mir doch weg.“
„Na warte!“ Berto schnappte wie eine Krabbe mit seinen zwei verbliebenen Fingern zu, jedoch rutschte er auf der glatten Holzoberfläche ab. Die Holzfiguren verblieben in der Hand der rassigen Schönheit. „Das ist unfair!“, jammerte Berto und fing an, mit seinen Füßen nach Vivicia zu treten.
„Nimm deine dreckigen Füße aus meinem Gesicht oder ich schneide dir auch noch alle Zehen ab!“
„Gib mir meine Figur zurück!“
Die übliche familiäre Streiterei wurde unterbrochen, als Friedjof in Gesellschaft zwei weiterer Zigeuner an ihnen vorbeimarschierte.
„Cousin!“, schrie Vivicia. „Wohin des Weges?“
Friedjof blieb stehen und sah zu Vivicia. „Dorthin, wo es warme
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