Mira und das Buch der Drachen (German Edition)
bei dem bloßen Gedanken daran zusammen. Nein, sie hatte keinen Hunger. Aber wie gerne wäre sie in einem warmen Zimmer! Ein Ort mit einer Heizung oder einem prasselnden Feuer musste nun der schönste Platzauf Erden sein. Zu ihrer Verwunderung stellte sie fest, dass sie sich nie einsamer gefühlt hatte als in diesem Moment, da sie an all die Menschen dachte, die zusammen der Musik lauschten und ein Fest feierten.
Hippolyt seufzte. »Es gibt nur das Beste heute! Sie will ihren Triumph feiern. Den endgültigen Sieg über die weißen Zauberer. Und sie hat es geschafft. Beinahe! Deine beiden Freunde habe ich übrigens auch schon gesehen! Die dürre rote Katze und der Luchs, das sind sie doch, oder?«
»Ja«, rief Mira, »ja!« Ihr Herz begann heftig zu schlagen.
»Sie kamen vor einer Weile durch den Zugang. Pech nur, dass sie gefangen waren.« Hippolyt musste wieder husten. »Sie sahen ziemlich kleinlaut aus in dem Käfig.«
Mira spürte einen Stich im Herzen und schwieg. Miranda und Rabeus hatten gegen die Schatten nichts ausrichten können und waren in Gefangenschaft geraten!
Hippolyt sah sie fragend an. »Und die beiden anderen? Diese überaus charmante Frau, die aussieht wie ein Pferd, und der Junge mit diesen stillosen Rasta-Zöpfen?«
»Die schwarzen Zauberer haben sie erwischt«, sagte Mira leise.
Ein schiefes Lächeln erschien auf Hippolyts Gesicht. »Und Thaddäus?«
Mira schwieg und schüttelte den Kopf.
»Dann sind wir also die Letzten!«, stellte Hippolyt fest, bevor ein plötzliches Lachen seine verkrümmte Gestalt schüttelte. Es war ein unheimliches Lachen, das dann in ein verzweifeltes Husten überging.
»Haha! Die letzten der weißen Zauberer. Ein kranker Mann und ein kleines Mädchen!« Hippolyt holte ein zerknülltes Taschentuch aus den Tiefen seines Mantels und schnäuzte sichgeräuschvoll. »Wenn das der Drache so geplant hat, dann war er wirklich ein Genie, ich muss schon sagen! Und zuvor hat er das Buch einem schwachsinnigen Zauberer anvertraut, der nicht mal mehr weiß, wie er heißt.«
»Thaddäus ist nicht schwachsinnig«, brachte Mira heraus. »Ich dachte, Sie wären sein Freund!«
Hippolyt schwieg und verbarg sein Gesicht im Taschentuch. »Wo ist er eigentlich abgeblieben?«
»Er ist zur Gemeinschaft der Fische .«
»Und hat uns allein gelassen!«, vollendete Hippolyt den Satz.
Mira wollte protestieren, aber es fiel ihr nichts ein, was sie darauf erwidern könnte, ohne ihm von dem Buch zu erzählen.
»Er hatte seine Gründe«, sagte sie knapp.
Hippolyt musterte sie aufmerksam und dann schlich sich in seine Augen ein sonderbarer Glanz. »Du hast es, nicht wahr?«
»Ich weiß nicht, wovon Sie sprechen!«, flüsterte Mira.
Hippolyts verzweifelter Griff um Miras Handgelenke wurde stärker. »Wir sind die Letzten, Mira! Du und ich! Findest du nicht, dass wir jetzt endlich zusammenhalten sollten?«
Mira wandte sich ab. Sie wollte nicht mehr in Hippolyts flehende Augen sehen.
»Ich weiß nicht, warum ich das tun sollte.«
»Habe ich dir nicht das Leben gerettet?«
Mira schluckte. Hippolyt hatte recht. »Aber warum haben Sie vorher nach mir gesucht? Warum haben Sie mit dieser Wahrsagerin meine Tante ausspioniert?«
»Kannst du dir das nicht denken? Du kennst den Spruch! Weißt du, dass die schwarze Hexe die ganze Zeit danach gesucht hat? Die Beschwörung des schwarzen Drachen! Weißt du, wie unendlich wertvoll dein Wissen ist? Es ist wie Gold, und ...«, er tippte an Miras Stirn, »... das Gold ist da drin!«
Mira wand sich unbehaglich aus Hippolyts Griff. Sie stand auf und sah in den Garten, wo sie neben dem steinernen Maul einen gefrorenen Wasserfall entdeckte. Das Buch, das unter ihrem Mantel steckte, erschien ihr mit einem Mal schwerer als zuvor. Das Wasser hing in spitzen Eiszapfen von einem Felsen und schimmerte im Mondlicht. Kalt und böse glitzernd.
»Mira! Du bist die Herrin über den schwarzen Drachen! Weißt du, was das bedeutet? Du könntest mächtiger sein als die schwarze Hexe.« Hippolyt machte eine kurze Pause, die er mit einem bellenden Husten füllte. »Am Ende, meine Liebe, geht alles um die Macht! Um nichts anderes. Glaube nicht denen, die dir einreden wollen, es ginge um Liebe oder Versöhnung. Nein, es geht allein um die Macht und um nichts weiter. Du hast es jetzt in der Hand. Lass mich dein nützlicher Diener sein! Wir könnten zusammen alles durchsetzen. So lächerlich wir nun aussehen, wir können es durchsetzen.« Wieder wurde er von einem
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