Mira und das Buch der Drachen (German Edition)
sollte sie hier unbemerkt eindringen?
Vorsichtig lief Mira am Waldsaum neben der Straße entlang.Sie hielt sich im Schatten und pirschte sich von einem Baum zum anderen. Weitere Autos fuhren vorbei. Von ihren Reifen spritzte schmutziger Straßenschnee in ihre Richtung.
Mira starrte auf ihre Stiefelspitzen. Was war denn das?
Neben ihren Schuhabdrücken zeichnete sich noch ein weiteres Paar Spuren im Schnee ab. Jemand musste diesen Weg schon vor ihr gegangen sein!
Ein Abdruck zog jedes Mal eine kleine Schleifspur hinter sich her. Die Spuren führten neben dem Waldsaum die Straße hinunter und Mira setzte ihre eigenen viel kleineren Abdrücke daneben.
Nach einer Weile lag das Haus der schwarzen Hexe ihr gegenüber auf der anderen Straßenseite. Auf einem großen Platz vor dem niedrigen Turm stiegen Menschen aus ihren Autos, sprachen leise miteinander und verschwanden dann zwischen den krummen Säulen. Andere kamen in Gruppen über einen Weg, der aus dem Garten auf den Vorplatz führte.
Mira stand still und überlegte. Wer auch immer die Spuren hinterlassen hatte, wollte sicher nicht, dass er entdeckt wurde. Genau wie sie! Vielleicht kannte dieser Unbekannte einen geheimen Weg zum Haus der schwarzen Hexe? Mehrmals war neben den Spuren eine Kuhle im Schnee zu sehen. Es sah fast so aus, als wäre der Fußgänger gestürzt. Dann hörten die Spuren plötzlich auf. Hatte sich der Unbekannte in Luft aufgelöst? Mira blickte auf die andere Seite der Straße und sah dort die hohe Mauer, die das Anwesen umgab. Und tatsächlich: Dort, hinter einer Schneewehe, ging die Spur weiter!
Mira lief unbemerkt über die Straße und trat wieder in die Fußstapfen des Unbekannten. Sie führten sie an der Mauer entlang und endeten dann abrupt.
Mira sah nach oben. Vor ihr ragte ein hohes Gittertor auf.Es hatte metallene Spitzen, die aussahen wie kleine Flammen. Rechts neben dem steinernen Torpfosten hatte wohl jemand seinen Müll abgeladen, denn dort lag ein Bündel Lumpen im Schnee. Eine goldene Sonne war in der Mitte des Tores als Ornament eingefügt. Mira rüttelte vorsichtig an dem Gitter, doch das Tor war fest verschlossen und die Feuerspitzen machten es unmöglich darüberzuklettern. Was nun?
Mira umschloss mit ihren Fingern die eiskalten Gitterstäbe und spähte in den Garten.
Unter den alten Bäumen befanden sich riesige Steinfiguren, die fast ganz unter der Schneelast verschwanden. Ein Elefant trug eine große Säule spazieren, eine Schildkröte wurde fast vom Schnee erdrückt, und ganz rechts lag der Kopf eines steinernen Monsters, der nun vom Vollmond erhellt wurde. Die mit Moos und Eis überzogene Fratze starrte sie mit ausgehöhlten Augen an. Ihre Nasenlöcher waren so breit, dass Mira wahrscheinlich mühelos ihren ganzen Arm hätte hineinstecken können.
Plötzlich hörte Mira Schritte und Stimmen. Die Geräusche kamen direkt aus dem Inneren des Ungeheuers. Dann trat aus dem weit geöffneten Maul eine dicke Hexe in einem Samtmantel, gefolgt von einem hoch aufgeschossenen, hageren Mann. Er duckte sich unter einem der beiden schiefen Zähne, die aus dem Riesenschlund herausragten. Auch er kam Mira bekannt vor. Richtig, er hatte es bei der Zauberratssitzung gewagt, Netaxa zu kritisieren.
»Schon wieder Treppen!«, jammerte die dicke Frau, während sie die Stufen, die aus dem Maul des Monsters hinunter ins Freie führten, hinabstieg. »Und ich frage mich, warum dieser Antiquitätenhändler die ganze Zeit so gelacht hat. Fast als wollte er sich über uns lustig machen!«
»Aber jetzt sind wir ja da«, murmelte der hagere Mann.
Doch die dicke Frau war nicht zu beruhigen. »Und ich sage dir: Wir hätten lieber gleich den Vizeratsvorsitzenden fragen sollen, Ambrosius! Dann wäre das mit der Einladung kein Problem gewesen.«
Ambrosius stieß ein verärgertes Knurren aus. »Und ich sage dir: Ich habe eigentlich sowieso keine Lust, auf dieses Fest zu gehen. Ich weiß gar nicht, was es da zu feiern gibt.«
Sie machten sich auf den Weg zum Parkplatz, auf dem gerade ein Wagen vorfuhr.
»Ah, sieh mal! Anataxa und Lobelius!«, rief die Hexe im Samtmantel.
Ein Paar stieg aus einem schwarz glänzenden Auto. Mira hielt den Atem an. Es waren Mirandas Eltern. Mirandas Mutter steckte sich nervös die Haare nach hinten, während ihr Mann ihr die Tür aufhielt.
»Er sieht aber nicht mehr gut aus, seit er von seinem Posten abgelöst wurde!«, flüsterte die dicke Hexe. »Ich habe gehört, dass er nicht freiwillig gegangen ist. Kein
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