Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mira und der weiße Drache (German Edition)

Mira und der weiße Drache (German Edition)

Titel: Mira und der weiße Drache (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margit Ruile
Vom Netzwerk:
die schmutzigen Schuhe wieder von ihrem Sitz zu nehmen. »Aha«, sagte das Mädchen und blätterte beeindruckt in dem Buch herum. »Es sind ja fast keine Bilder drin.« Mira kratzte sich am Kopf. » Eigentlich sitze ich hier«, sagte sie schließlich und deutete auf die nassen Schuhe. Das Mädchen sah sie kurz an, zog dann aber doch die Füße zurück. Mira fegte ein paar nasse Blätter vom Polster und setzte sich dem Mädchen gegenüber. Das Mädchen schien sie nicht weiter zu beachten und sah sich die wenigen Zeichnungen in dem Buch an. Mira räusperte sich. »Ich heiße übrigens Mira«, sagte sie nach einer Weile und fragte sich, wie sie nun ihr Buch wiederbekommen sollte. »Das ist lustig«, erwiderte das Mädchen und sah kurz auf. »Ich heiße Miranda.« Sie grinste und Mira konnte eine kleine Lücke zwischen ihren Schneidezähnen sehen. »Das ist bestimmt kein Zufall.«
    »Hmm«, erwiderte Mira nicht ganz überzeugt. Dann fasste sie sich ein Herz. »Das ist übrigens mein Buch!«, erklärte sie und deutete auf Gullivers Reisen .
    Miranda seufzte. »Hier!«, sagte sie und streckte Mira das Buch entgegen. »Es hat sowieso zu wenige Bilder.«
    Mira sah Miranda kurz verwirrt an und hielt dann das Buch so, dass sie sich dahinter vor dem komischen Mädchen verschanzen konnte. Nach einer Weile konnte sie auch wieder die Stelle finden, an der sie zu lesen aufgehört hatte. Doch so recht konnte sie sich nicht auf die Geschichte von Gulliver bei den Riesen konzentrieren. Sie las mehrmals hintereinander einen Satz, ohne ihn zu verstehen, und wusste nach einer halben Seite nicht mehr, was eigentlich geschehen war. Außerdem − und das passierte Mira selten − fand sie das rothaarige Mädchen auch spannender als die Geschichte. Und so beschloss sie, nur noch so zu tun, als würde sie lesen, und beobachtete stattdessen Miranda.
    Miranda ihrerseits starrte scheinbar unbeteiligt aus dem Fenster, warf Mira aber hin und wieder einen langen prüfenden Blick zu.
    Die Landschaft wurde wilder. Auf den Hügeln streckten alte knorrige Bäume ihre schwarzen Äste dem Himmel entgegen. Vogelschwärme zogen über die abgeernteten Felder. Mira sah beim Umblättern, wie Miranda eine kleine silberne Dose aus ihrer zerschlissenen Hose zog und den Deckel aufklappte. Daraus holte sie etwas Längliches, das Mira auf den ersten Blick nicht so gut erkennen konnte. Sie hielt den Atem an. Das Mädchen nahm das Ding zwischen Daumen und Zeigefinger, legte den Kopf in den Nacken, ließ es über ihrem Mund baumeln und − verschlang es dann in einem Stück!
    Mira ließ ihr Buch sinken und starrte Miranda an. »Was isst du denn da?«, stammelte sie. »Oh«, sagte Miranda, »das sind gebratene Regenwürmer. Magst du einen?« Sie hielt Mira das silberne Schächtelchen hin, doch die wich angewidert zurück. »Nein, danke!«, brachte sie schließlich matt hervor.
    »Dann eben nicht«, sagte Miranda grinsend und starrte weiter aus dem Fenster. Mira schluckte und versteckte sich wieder hinter den Buchdeckeln.
    Wenig später bewegte sich der dicke Schaffner den Gang entlang und kontrollierte die Fahrkarten. Die Fahrkarten! Mira schluckte. Der Schaffner war schon beim Nachbarabteil und schob dort die Glastür zur Seite.
    »He, was ist los mit dir?« Miranda hatte Miras Unruhe bemerkt und starrte sie an. »Ich habe meine Fahrkarte vergessen«, murmelte Mira und versuchte die Tränen hinunterzuschlucken.
    »Fahrkarte?«, brummte Miranda, »wozu das denn?«
    In diesem Moment schob der Schaffner schwungvoll die Abteiltür auf.
    »Die Fahrkarten, bitte!«, sagte er freundlich. Miranda lächelte ihn breit an. »Wir brauchen so was nicht«, sagte sie bestimmt und sah den Schaffner lange an. Die Augen des Schaffners sahen erst erstaunt aus, doch dann bekamen sie kurz einen glasigen Ausdruck. Er blickte von Miranda zu Mira und lächelte dann gleich wieder freundlich. »Aber, aber, natürlich«, stotterte er, tippte an seine Mütze und zog die Abteiltür zu. »Eine gute Fahrt noch!«, murmelte er im Weitergehen, während er sich am Kopf kratzte.
    Miranda lehnte sich lässig zurück. »Na bitte!«, sagte sie und grinste Mira triumphierend an. »Danke, vielen Dank«, stotterte Mira. Ihr war ganz schwindelig vor Erleichterung. Und sie starrte Miranda mit offenem Mund an. Wie hatte sie das nur gemacht?
    Miranda winkte lässig ab. »Gern geschehen!«
    Mira atmete auf, legte ihr Buch weg und holte ihre Wegzehrung aus dem Rucksack. »Möchtest du vielleicht noch was essen?«,

Weitere Kostenlose Bücher