Mira und der weiße Drache (German Edition)
kämpfen.«
Miranda schälte sich aus ihrer Decke heraus und blitzte ihre Großmutter vergnügt an. »Ich finde, das klingt gut«, sagte sie grinsend. »Genauso musst du es beim nächsten Zauberrat vorbringen!« Die Hexe Fa lehnte sich zurück und sah Miranda verärgert an. »Ach, der Zauberrat!«, schnaubte sie schließlich verächtlich.
»Aber wir sind schon ein paar, die genauso denken!«, sagte Miranda. »Rabeus ist dabei. Und Mira natürlich ...«
Sie blickte zu Mira, die verwirrt den Kopf schüttelte.
»Ich?«, murmelte sie verblüfft. »Ich gehöre doch gar nicht dazu.«
»Natürlich tust du das«, rief Miranda.
Die Hexe Fa lachte und ihre Goldzähne blitzten. Diesmal konnte man sie ganz deutlich sehen. »Du kannst dich verwandeln, und du weißt, wie man die Drachen beschwört.« Mira wurde ein bisschen rot und zuckte mit den Schultern. »Ich weiß nicht ...«, murmelte sie.
»Und du hast verhindert, dass das Buch in die Hände der schwarzen Zauberer fiel«, fuhr die Hexe Fa fort. »Wenn auch unabsichtlich, dass muss ich zugeben.« Dann sah sie Mira in die Augen. »Wir werden dich noch brauchen!«
Mira schluckte. Sie fühlte sich seltsam, geehrt und zugleich auch etwas schwindelig. »Aber wie werdet ihr mich finden?«, fragte sie die Hexe Fa aufgeregt. »Ich fahre übermorgen nach Hause.« Die Hexe Fa lachte. »Keine Angst, wir spüren dich schon auf.« Jetzt sah sie Mira sehr ernst an. »Und vergiss nicht, du darfst dich nicht verwandeln! Du bist sonst den schwarzen Zauberern schutzlos ausgeliefert.« Mira nickte stumm. Sie dachte einen Moment an ihre Flucht vor dem Sperber und schüttelte sich.
Die Hexe Fa hatte sie beobachtet und senkte für einen Augenblick ihre Stimme. »Den Spruch des schwarzen Drachen musst du auf alle Fälle für dich behalten, hörst du!« Wieder nickte Mira. Trotzdem war sie verwirrt. »Es gibt das Buch nicht mehr«, sagte sie zweifelnd. »Warum sollte der Spruch dann noch wichtig sein?« Die Hexe Fa wiegte den Kopf. »Wer weiß?« Sie sah eine Weile zu Boden, als wollte sie eine geheime Botschaft aus dem verschlungenen Blumenmuster des mittlerweile ziemlich schmutzigen Teppichs entziffern. Es war eine Weile still, und Mira spürte, wie ein angenehmes und warmes Gefühl in ihr aufstieg. Sie würde zu den Zauberern gehören! Dann blickte sie auf. Etwas in dem Zimmer hatte sich verändert.
»Der Regen hat aufgehört«, nahm die Hexe Fa Miras Gedanken auf. Sie stupste Miranda an, die mittlerweile in ihre Decke gerollt auf dem Sofa eingeschlafen war. »Komm, wir fliegen los!«, murmelte sie. Miranda rappelte sich auf und blinzelte. Statt der Hexe Fa saß nun eine große, graue Eule auf dem Stuhl. Sie flatterte hoch, setzte sich auf die Kuckucksuhr und blickte mit ihren klugen Augen auf die Kinder herab. Miranda sah ein letztes Mal zu Mira und zog eine kleine silberne Dose aus ihrer Hosentasche. »Ich habe hier noch was für dich«, sagte sie leise und grinste.
»Oh!« Mira nahm die Dose und drehte sie in der Hand. Sie wagte nicht, sie aufzumachen. »Danke«, sagte sie und grinste zurück. Dann strich sich Miranda ihre feuchten roten Haare zurück und verwandelte sich in eine kleine, zerzauste Amsel, die sich auf die Kuckucksuhr neben die Eule setzte. Mira sah zu den beiden Vögeln hoch.
»Leb wohl, Mira!«, hörte sie die Stimme der Hexe Fa in ihrem Kopf. »Auf Wiedersehen«, dachte Mira. »Und vielen Dank!«
Die Eule rüttelte mit den Flügeln. Die kleine Amsel flatterte von der Kuckucksuhr auf Miras Schulter und pickte sie am Ohr. »Mach’s gut!« Mirandas Stimme klang merkwürdig rau.
»Du auch!«, erwiderte Mira und spürte einen dicken Kloß im Hals. Mit Miranda auf der Schulter, öffnete sie die Terrassentür. Der Sturm hatte aufgehört. Draußen roch es nach nassem Gras.
Der Horizont war schon dunkelblau und kündete vom kommenden Morgen. Die große Eule und die kleine Amsel flogen zur Türschwelle und blickten sich noch einmal zu Mira um.
»Bis bald!«, sagte Mira leise und der Kloß in ihrem Hals wurde immer dicker. Dann erhoben sich die Vögel in die feuchte Luft. Sie flogen an der Buche vorbei, die nun alle ihre Blätter verloren hatte, und waren bald ganz von der dunklen Nacht verschluckt.
25. Kapitel
in dem Mira ein großzügiges Angebot macht
Zwei Tage später saß Mira im Regionalzug nach Hause. Wieder war sie allein in einem großen Abteil. Und wieder hatte sie ihren kleinen blauen Koffer auf die Ablage über sich gestellt. Draußen blitzte die
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