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Mirad 01 - Das gespiegelte Herz

Mirad 01 - Das gespiegelte Herz

Titel: Mirad 01 - Das gespiegelte Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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und seine Zöglinge – Twikus war während des Essens aufgewacht und hatte sich umgehend darangemacht, Múria mit Schilderungen seiner Heldentaten zu beeindrucken. Danach redete Dormund über seine Wanderung  von Soodland in den Süden Pandoriens. Zuletzt erzählte die Herrin der Seeigelwarte von ihrem geduldigen Spähen und Lauschen hoch über den Katarakten von Seltensund. Sie verfüge zwar nicht über das durchdringende Talent des Volkes der Weisen, spielte sie ihre eigenen Fähigkeiten herunter, aber di e »alt e Gabe « – so nannte sie die Sirilimkünste – sei zum großen Teil Handwerk, man könne sie erlernen.
    Falgon hatte ihr widersprochen. Die Alten hätten sie nicht von ungefähr in ihre Mitte aufgenommen und ihr sogar e inen ihrer Namen verliehen. Obwohl Mensch, sei sie den Sirilim äußerlich sehr ähnlich. Möglicherweise hatten sie in ihr eine Verkörperung jener Urmutter gesehen, in der beide Geschlechter ihre gemeinsame Herkunft begründeten. Ergil, der die Unterhaltung inzwischen aus dem Hintergrund verfolgte, entging nicht der glühende Eifer, mit dem sein Ziehvater ein großartiges Bild Múrias zeichnete, das diese zu beschämen schien. Erst als sie flüchtig Falgons Hand ergriff, wurde er sich augenscheinlich seiner Schwärm e rei bewusst und verfiel in verlegenes Schweigen.
    Das beabsichtigte Schmieden gemeinsamer Zukunftspläne wurde zu vorgerückter Stunde verschoben. Die drei Floßfahrer waren einfach zu müde. Am nächsten Tag würde man ohnehin klarer denken können.
    So schleppte man sich ein weiteres Stockwerk hinauf. Die Herrin der Seeigelwarte führte ihre Gäste in ein hübsches Zimmer mit dem Grundriss eines geviertelten Pfannkuchens. Das Mondlicht fiel nur in einzelnen Tropfen auf den Flickenteppich am Dielenboden, weil es von den winzigen kreisrunden Glasscheiben in der bauchigen Außenwand regelrecht gesiebt wurde. Im Schein der Kerzen wurden andere Einzelheiten erkennbar: eine Kleidertruhe, wieder Regale mit einer Auswahl weiterer Bücher – versteinerte Schnecken hinderten sie a m Umfallen –, an der Wand rechts daneben eine  kleine Sichel zum Schneiden von Kräutern und noch ein Stück weiter ein Arrangement aus bunten Vogelfedern. Matratzen habe sie leider nicht, erklärte Múria. Die Gäste müssten mit Strohsäcken Vorlieb nehmen. Schekira kicherte nur und meinte, ihre Freunde seien Schlimmeres gewohnt. Sie würden schlafen wie die Murmeltiere.
    Damit sollte sie nicht uneingeschränkt Recht behalten.
    Die Lohe reichte bis zum Himmel. Sie war pechschwarz und kalt wie Eis. Ersteres konnte Twikus noch mit seinen Augen nachvollziehen – natürlich hatte er nie zuvor ein solches Feuer gesehen –, aber woher wusste er um die frostige Natur dieser Flammen? Sie stiegen aus der Sooderburg empor, indes blieb die Königsfestung unversehrt. Nicht einmal Ruß legte sich auf die wuchtigen Mauern.
    Twikus schien zu fliegen. Ganz eindeutig konnte er seinen Zustand nicht abschätzen, weil ihm anfangs jedes Gefühl für seinen Körper fehlte. Oder lag dieser gar immer noch auf dem Strohsack in Múrias Seeigelhaus?
    Sein Geist jedenfalls nahm das atemberaubende Panorama aus der Vogelperspektive wahr. Da lag im Osten die felsige Küstenlinie und dahinter die kabbelige See. Er ließ seinen Blick nach links schweifen und gewahrte einen Streifen mit Feldern, die allerdings brachlagen. Noch weiter im Westen schloss sich ein Gebirgszug an, dessen Hänge von üppigem Grün nur so wucherten: Wald, später Wiesen und erst ganz weit oben moo s - und flechtenüberzogene Felsen. Es hätte eine so schöne Insel sein können, gäbe es da nicht die ka l te, lichtlose Lohe, die aus dem Herrschersitz der Könige von Soodland wie aus dem Maul eines Drachen emporzüngelte.
    Die Sooderburg thronte auf einer hohen Klippe. Ihre zahlreichen Gebäude wurden, außer im Osten, wo die Klippen steil zum Schollenmeer hin abfielen, von einem doppelten Mauerring geschützt. Zwei Bauwerke stachen ob ihrer Größe  hervor: der gewaltige Königspalast und der Knochenturm, ein bleicher Bergfried enormer Höhe, der in die östliche Außenmauer der Burg eingegliedert war. Der Legende nach bestand er – ein Zufall? – tatsächlich aus den Gebeinen eines Drachen.
    Mitten aus dieser Festungsanlage loderte die gigantische Flamme empor und je länger Twikus sie umkreiste, desto mehr zog sie ihn in ihren Bann. Da war etwas in ihr, etwas Bedrohliches, das er nur erahnen, aber nicht mit den Sinnen wahrnehmen konnte. Voller

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