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Mirad 01 - Das gespiegelte Herz

Mirad 01 - Das gespiegelte Herz

Titel: Mirad 01 - Das gespiegelte Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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nichts darauf hinzuweisen. Deshalb zögerte sie, euch eine Ausbildung aufzubürden, die womöglich eure Kräfte überfordert und euch zerbrochen hätte. Jetzt ist es wohl zu spät. Ich kann dir und deinem Bruder das
    ›Handwerk‹ beibringen und weil ihr die Anlagen des Volkes der Weisen in euch tragt, werdet ihr es vermutlich sogar mit einiger Geschicklichkeit erlernen. Aber mehr solltet ihr nicht erwarten.«
    Twikus riss sich von ihrem Blick los und starrte auf die gemalte Waldlichtung. Das Bild schien sich verändert zu haben und er brauchte einen Moment, um den Grund dafür zu erkennen: Die Seeigelschale war an einigen Stellen so dünn, dass die Sonne durchschimmerte. Das verwirrende Spiel aus Licht und Farben beschwor in seinem Sinn Szenen von einem  Kampf an einem Wildbach herauf. Er schüttelte verzweifelt den Kopf.
    »Du täuschst dich! Ich habe doch Triga zu Staub verwandelt und Falgons Herz jünger gemacht. Außerdem konnte ich das Wiegen der Brücke Wankelmut verstehen…«
    »Was bestätigt, dass du wirklich Vanias Sohn bist, der Nac hkomme des weisen Jazzar - siril, eines der mächtigsten Durchdringer, die Mirad je gesehen hat. Ich will die in dir schlummernde Kraft keineswegs infrage stellen, Twikus, nur nützt diese dir wenig, wenn du sie nicht zu kontrollieren vermagst. Im Gegenteil, wenn du unbedarft mit ihr herumspielst, könnte sie dich sogar vernichten. Komm mit zu den Kräutern herüber. Ich will dir etwas zeigen.«
    Sie zog ihn einige Schritte weiter zu einer Stelle, wo sich die zum Trocknen aufgehängten Heilpflanzen besonders dicht unter der Decke drängten. Dort ließ sie seine Hände los. Ihr Blick suchte die Sträuße ab, bis sie etwas Passendes gefunden hatte. Vorsichtig zupfte sie aus einem Büschel zwei Stängel, an denen jeweils fünf oder sechs lilafarbene Blüten hingen. Einen ga b si e Twikus, den anderen behielt sie für sich.
    »Diese Pflanze«, erklärte sie, »heißt Eisenhut. Ein gutes Mittel, wenn einen die Gicht plagt oder man einen Gatten loswerden will, der allzu häufig anderen Röcken hinterhergafft.«
    Twikus sah Múria erschrocken an.
    S ie lächelte. »Keine Sorge. Ich habe gestern der Frau für ihren stieläugigen Gemahl kein Gift mitgegeben, sondern ganz normalen Gartenschneeball, ein wirksames Mittel bei verschiedenen Frauenleiden. Und jetzt pass auf, was mit dem Eisenhut geschieht!«
    Múri a s Gesicht wurde wieder ernst. Fast schien es zu versteinern. Ihre Augen begannen zu glänzen. Es sah aus, als hätten sie den violetten Ton der Blüten aufgesaugt. Plötzlich  veränderte sich die Blume. Die zuvor schlaffen Blätter wirkten frischer, die Farben k räftiger.
    »Hier«, sagte die Herrin der Seeigelwarte und streckte  Twikus die Blüten entgegen.
    Er ließ nur seine Fingerspitzen darüber hinweggleiten. Schließlich hatte er ja Augen im Kopf.
    Der Eisenhut war tatsächlich wieder aufgeblüht!
    »Und jetzt versuche du es «, verlangte Múria. Er erschrak. »Ich?«
    »Warum nicht? Du hast einen ganzen Krieger um hundert oder mehr Jahre altern und Falgons Herz jünger werden lassen. Was ist dieses Kraut dagegen?«
    Unsicher, beinahe böse starrte Twikus auf seinen Eisenhut. E r ver suchte sich in die Pflanze hineinzuversetzen, so wie er an der Dinganschlucht das Wesen der Wankelmut erforscht hatte. Mehrmals zählte er die welken Blüten – es waren sechs. Er fühlte mit den Fingerspitzen den noch weichen Stängel. Erblühe!, befahl sein G e ist. Nichts geschah. Ich will, dass du wieder jung wirst!, setzte er energisch hinzu. Das Pflänzchen blieb so welk, wie es war. Hilflos sah er wieder zu Múria auf.
    »Irgendwie fehlt mir…« Er zuckte die Achseln.
    »Die spirituelle Ebene?«, schlug sie schmunzelnd vor. Es klang ein wenig spöttisch.
    Er verzog den Mund.
    Ihr neckisches Lächeln bekam einen nachsichtigeren Ton.
    »Wa s has t d u empfunden?«
    »Wann?«
    »Als du die Zeit für den Eisenhut zurückzudrehen versuchtest.«
    »Es ist nur ein Kraut. Was soll ich empfunden haben?«
    »Wie hast du dich denn gefühlt, als dein Ziehvater mit Trigas
    Speer in der Brust zu Boden ging?«
    »Ich war zornig. Verzweifelt.«
    »Sonst nichts? Hattest du keine Angst?«
    »Hauptsächlich um den Oheim«, antwortete Twikus ausweichend.
    »Du brauchst dich deiner Furcht nicht zu schämen. Kommen wir noch einmal auf deine Verzweiflung zurück. Warum hast d u s o gefühlt?«
    »Na, weil ich mir hilflos vorkam. Der Oheim lag im Sterben. Alles, was ich getan hatte, war umsonst

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