Mirad 01 - Das gespiegelte Herz
Brett mit Käse und Schinken ließen erkennen, dass man mit dem Frühstück bereits ohne ihn begonnen hatte. Die Elvenprinzessin war von ihrem Gefälligkeitsflug inzwischen zurückgekehrt und lehnte gerade an einer Blumenvase, als ihr bei dem Heiterkeitsausbruch der Schreck in die Glieder und sie selbst darauf senkrecht in die Luft schoss.
Die Herrin der Seeigelwarte stellte ihren Teebecher ab und bedachte die zwei Spaßvögel mit einem frostigen Blick. »Freut euch nicht zu früh, meine Herrn. Die besonders hartnäckig eingebrannten Pfannen und Töpfe habe ich für euch übrig gelassen.«
Falgon und Dormund wurden schlagartig ernst.
Sie streckte ihren Arm nach Twikus aus und lächelte.
»Komm, mein Lieber, setz dich zu uns. Wir müssen Kriegsrat halten.«
Er stellte den Kessel vor der Kochstelle ab und nahm neben Múria am Tisch Platz. Schekira landete auf seiner Schulter.
»Guten Morgen, mein Retter.«
»Morgen«, brummte Twikus.
»Schlech t gelaunt?«
»Wie kommst du darauf?«
»Ich habe schon mit ihnen über dich gesprochen«, begann Múria unbeirrt, und als sie das erschrockene Gesicht ihres neuen Schülers bemerkte, fügte sie hinzu: »Die Aussichten deiner Ausbildung betreffend.«
Er atmete erleichtert auf.
F algon holte tief Luft. »Eigentlich war mir von Anfang an klar, dass du und dein Bruder nicht so einfach in die Sooderburg spazieren und diesem Spuk ein Ende bereiten könnt. Wikander wird euch Torlunds Thron weder freiwillig überlassen noch sich zerknirscht über seine Untaten im Knochenturm selbst anketten.«
»Ich hatte mir seine Strafe ohnehin anders vorgestellt«, knurrte Dormund.
»Eure Einsicht ist sehr erfrischend«, spöttelte Múria.
»Torlunds Söhne haben eine gewisse Begabung, die uns nützlich sein wird, a ber wir können uns nicht allein auf sie verlassen. Wikander schützt sich auf vielerlei Weise. Nach dem Sturz der Sooderburg hat er als Erstes die Schwachstellen beseitigt, denen er den Sieg verdankte. Ihr erinnert euch an das Hauptgebäude der Festung?« Ihre Frage war in erster Linie an Falgon und Dormund gerichtet, die mit einem Kopfnicken bejahten. Twikus fröstelte, weil er dieses Haus erst in der vergangenen Nacht im Traum gesehen hatte. Unter einer pechschwarzen Lohe.
Múria berichtete von ausgedehnten Umbaumaßnahmen im Palast. Der Usurpator habe ihn in ein mehrstöckiges Labyrinth verwandelt, in dem sich nur eine handverlesene Anzahl seiner Vertrauten auskannten. Die privaten Gemächer und Beratungszimmer des Königs lagen tief in diesem Irrgarten verborgen. Obwohl das System aus Zimmern und Gängen für den Uneingeweihten auch bei mehrfacher Begehung so gut wie undurchschaubar war, durften Besucher nur mit verbundenen Augen zu ihm geführt werden.
»Dieses Verwirrspiel ist noch harmlos im Vergleich zu den andere n Tücken, die ungebetene Gäste von Wikander fern halten sollen«, sagte Múria und nippte an ihrem Tee.
Dormund strich sich mit der Hand über den Schädel. »Wenn man mit einem Katapult lange genug denselben Punkt des Palastes beschießt, dann ist es egal, wie verzwickt die Wände darin gezogen sind.«
»Dein Verstand war für mich schon immer ein Mysterium aus Einfalt und Genialität, mein Lieber.« Während der Schmied mit einem verwirrten Ausdruck auf dem Gesicht den Sinn von Múrias Worten zu ergründen suchte, setzte sie die Aufzählung von Wikanders Gemeinheiten fort.
Allein in seine labyrinthische Inselfestung einzudringen sei schon so gut wie unmöglich. Er habe ganz Soodland mit einem Bann umgeben, der die Sinne jeden Eindringlings verwirre und ihn zu Wikanders willenlosem Sklaven mache. Die Wirkung dieses unheilvollen Blendwerks sei bis zum Festland hinüber zu spüren. Manch tapferer Mann habe sich schon vom Mondkap aus ins Meer gestürzt und sei ertrunken. Andere Rebellen, wohl solche mit einem stärkeren Willen, hä t ten zwar ein Boot bestiegen, erreichten aber nur als Leichnam Soodlands Gestade.
»Wie schafft er so etwas? « , flüstert e Falgon.
»Ich weiß es nicht. Er ist mit Mächten im Bunde, die unsere Vorstellungskraft übersteigen. Das macht ihn so gefährlich und unsere Aufgab e s o schwer.«
»Könnten wir nicht…?« Der Waffenmeister raufte sich den Bart.
»Durch die geheimen Gänge zu ihm vordringen, die uns damals als Fluchtweg gedient haben?«, erriet Múria seine Gedanken.
Er nickte.
»An diese ›Hintertür‹ hat Wikander offenb a r zu allererst gedacht. Listigerweise ließ er sie nicht einfach
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