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Mirad 01 - Das gespiegelte Herz

Mirad 01 - Das gespiegelte Herz

Titel: Mirad 01 - Das gespiegelte Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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einem Mal sah er sie auf einer taubenetzten Bergwiese stehen, umgeben von vielen ihrer Artgenossen. Der Wind ließ die von violetten Blüten schweren Stängel zittern. Sie saugten gierig wie junge Kitze die Nahrung aus den Knollen im Boden und wurden dadurch kraftvoll und frisch…
    »Ja, jetzt hast du es begriffen!« Múrias ruhige Stimme führte  Twikus in die Wirklichkeit zurück. Er öffnete die Augen. Der Eisenhut stand wie eben gepflückt in seiner Hand.
    »Unglaublich. Ich kann es!« Twikus’ Stimme war nur ein ungläubiges Flüstern.
    »Das war lediglich eine Fingerübung, junger Mann. Allerdings ist mir so etwas erst nach zehn Jahren fleißigen Übens gelungen – aber in meinen Adern fließt ja auch kein Sirilim - Blut.«
    »Wenn mir in wenigen Augenblicken gelingt, wozu du so lange gebraucht hast, dann werde ich sicher auch noch Größeres vollbringen können.«
    »Möge deine Hoffnung nie sinken«, antwortete Múria vielsinnig. Sie deutete auf den neu erblühten Eisenhut. »Um Wikander gegenüberzutreten, brauchst du jedenfalls mehr als das.«
    »Ich bin bereit zu lernen.«
    »Un d Ergil?«
    »Der sowieso.«
    »Du solltest ihn wenigstens fragen.«
    »Mac h ich.«
    »Selbst wenn ihr beide einer Meinung seid, wird euer Eifer allein nicht ausreichen.«
    »Was denn noch? Sag es mir und wir werden es tun.«
    »Ist dir schon entfallen, wie unser Gespräch begonnen hat?« Er schluckte. »Keine Ahnung, was du meinst.«
    »Das weißt du sehr genau, Twikus. Du bist ein junger Bursche, dessen Herz leicht entflammt, wenn er ein hübsches Mädchen sieht. Deinem Bruder scheint es kaum anders zu ergehen, auch wenn er mir etwas schüchter n er vorkommt als du.
    Solche Strohfeuer der Gefühle nennt man Verliebtheit, was nicht dasselbe ist wie Liebe. Sei auf der Hut! In deiner Brust  pocht ein kleiner Blender. Wäge ab, bevor du deine Liebe verschenkst.«
    »Dich zu lieben kann unmöglich ein Irrtum s e in , Múria.«
    »Zu schnell, mein Lieber! Du triffst deine Wahl viel zu schnell. Wenn du tief in mich hineinblickst, wirst du deine Amme wiedererkennen, eine Lehrerin sehen und eine treue Freundin finden, aber keine Gespielin für ein paar vergnügliche Stunden. Außerdem bin ich kein junges Ding mehr, das sich Hals über Kopf in einen hübschen Burschen verguckt. Ich bin zweihundertvierundzwanzig Jahre alt.«
    Twikus’ Unterkiefer klappte herab.
    »Du bist doch nicht etwa überrascht?«
    »Naja… ein bisschen schon. Ich… hä t te dich höchstens auf hundertneunundneunzig geschätzt.«
    Beide sahen sich einen Moment lang aus versteinerten
    Mienen an. Dann brachen sie in schallendes Gelächter aus.
    »Dann haben wir uns also verstanden?«, fragte Múria unvermittelt.
    Der Thronfolger von Soodland befleißigte sich einer würdigen Miene und verbeugte sich. »Euer untertäniger Schüler, Meisterin.«
    »Aufmerksamkeit ist wichtiger als Kriechertum.«
    Ein Ruck ging durch seinen Körper. »Da fällt mir wieder der andere Grund ein, weshalb ich so früh zu dir herabgestiegen bin. Ergil wollte wissen, was es mit dem Bild dort auf sich hat.« Twikus deutete an die Wand.
    Ein Schatten fiel über ihr Gesicht. »Das ist eine Geschichte, die ich bisher nur wenigen erzählt habe.«
    Twikus senkte beschämt den Blick. »Entschuldige, wenn ich dein e Gefühle…«
    »Schon gut!«, unterbrach sie ihn. »Eure Mutter wusste über meine Vergangenheit Bescheid und es ist wohl nur recht und billig, wenn ihre Söhne – meine Schüler – auch davon  erfahren: Ich liebte einmal einen Sirilo…« Sie verstummte und schien den Worten nachzulauschen, als wolle sie die Formulierung auf ihre Richtigkeit überprüfen.
    »Ergil hat schon so etwas vermutet. Wer war er?«, fragte
    Twikus leise.
    »Sein Name lautete Jazzar - fajim…«
    »Doc h nicht…?«
    Sie nickte. »Derselbe, der z u m Kitora aufbrach, um Magos zu besiegen. Der Legende nach kann man den dunklen Gott nur um den Preis seines Lebens bezwingen. Jazzar - fajim ließ sich davon jedoch nicht schrecken.« Múria atmete tief, um ihrer zitternden Stimme Festigkeit zu geben. »Er ist nie wieder von dem Vulkan herabgestiegen. Die sengende Dürre indes, die den Grünen Gürtel heimgesucht hatte, fand bald nach seinem Verschwinden ein Ende und die Waggs, die mit ihrer schieren Übermacht das Reich der Sirilim überrannt hatten, zogen sich aus B ilathberdeo r zurück.«
    »Warst du mit Jazzar - faji m verheiratet?«
    In Múrias Augen spiegelte sich tiefer Schmerz. Sie schüttelte den Kopf

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