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Mirad 01 - Das gespiegelte Herz

Mirad 01 - Das gespiegelte Herz

Titel: Mirad 01 - Das gespiegelte Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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Angelpunkt des geheimen Widerstands gegen Wikanders allgewaltigen Machtanspruch.
    Nachdem alles geregelt war, begann der neuerliche Abstieg aus den kalten Höhen ins Hochtal über den Katarakten. Gonther begleitete die Gemeinschaft der sechs, die ein zufälliger Beobachter wohl lediglich für einen jungen Burschen mit einem zahmen Eisvogel, seinen Eltern und einem Freund oder Knecht gehalten hätte. Der Greis schloss sich allein aus praktischen Erwägungen der Gruppe an. Múria hatte ihn um einen Gefallen gebeten, der Twikus Magendrücken bereitete. Stumm brütete der Prinz im Sattel vor sich hin, weil er wusste, dass ihm an diesem Tag noch eine schwere Prüfung bevorstand.
    Er musste von Feuerwind Abschied nehmen. Gonther sollte sämtliche Pferde wieder hinauf auf den Berg bringen.
    Alles Reden hatte nichts gefruchtet. Múrias Argumente waren einfach zu stichhaltig gewesen: Die Wochen auf dem Floß sollten ihnen doch eine Lehre gew e sen sein. Für die Tiere sei die Schiffsreise nur eine Qual. Bei Gonther werde es ihnen gut gehen. Außerdem mache Feuerwind zurzeit ohnehin nicht den Eindruck, als interessiere er sich für irgendetwas anderes als für Kavitha.
    Danach war den Prinzen nichts mehr eingefallen, womit sie  Múria hätten umstimmen können.
    Seltensunds Oberhafen lag etwa eine Meile vor den Wasserfällen. Von hier wurden die Erzeugnisse der Hauptstadt ins südliche Stromland verschifft und die gelöschten Waren über die Kataraktestraße zu ihr herabgebracht. Ähnlich dem unteren Hafenviertel gab es auch im oberen eine Ansammlung von Lagerhäusern, Handelsniederlassungen und Spelunken, die alle irgendwie schäbig und trist aussahen. Twikus konnte nachempfinden, warum Kapitän Bombo seinen Landga n g  lieber im Goldenen Anker verbrachte als in den heruntergekommenen Kaschemmen, die sie bei der Durchquerung des Oberhafens sahen.
    Danach wurde die Straße am westlichen Ufer des Kandenbloods schmaler. Sie war nur mehr eine breite, ungepflasterte Lehmschne i se in dem dichten Busch- und Baumbestand. Über den Zweigen ragten immer wieder die Masten von Schiffen auf, deren Eigner sich die Hafengebühren sparen wollten oder aus anderen Gründen einen Ankerplatz in der freien Natur bevorzugten.
    »Da vorne ist die Ses k win«, meldete Schekira, als der Oberhafen gut zwei Meilen hinter ihnen lag. Das Wort stammte aus dem Sirilo, der Sprache des Volkes der Weisen, und bedeutete »Meerschaumkönigin«.
    Seit dem Ende der Tunnelfahrt durch den Grotwall hatten Twikus und sein Bruder sich öfter abgelöst als während der vorangegangenen Reise. Zu aufregend war die Zeit, zu dicht hatten sich die Ereignisse aneinander gereiht, um einen ganzen Tag in der schwerelosen Versenkung zu verbringen, die sie früher für den Zustand des Träumens g e halten hatten. Natürlich waren diese Phasen des Zurückgezogenseins immer wieder auch die des Schlafens und der Ruhe. Deshalb weckte Twikus jetzt seinen Bruder.
    Aufwachen! Wir sind da.
    Wo?, meldete sich Ergils irgendwie abwesend klingende  Gedankenstimme.
    D a unten liegt die Seskwin. Wo?
    Hat dir jemand deinen Wortschatz geklaut? Sperr doch die  Augen auf.
    Das müsstest schon d u machen, du Witzbold. So interessant sind Feuerwinds Ohren ja nun wirklich nicht.
    Twikus richtete den Blick wieder auf das Schiff.   
    Die Seskwin war ein zweimastiger Schoner mit einigen Besonderheiten. Bombo hatte ihn für seinen geringen Tiefgang gepriesen. In den flachen Oberläufen des Groterspunds habe ihm dieser Vorteil schon so manches Mal den Hals gerettet, weil seine Verfolger im Flussbett stecken geblieben waren. Der schlanke Rumpf des Seglers war so grün wie die Fluten der stromländischen Flüsse – offenbar ein Tarnanstrich. Von der erhöhten Uferböschung sahen die Zwillinge auf das gelblich braune Deck hinab. Zwischen Fock- und Großmast lag auf Klampen, mit dem Kiel nach oben, eine Schaluppe. Achtern gab es noch eine Hütte, die vermutlich Bombos Kajüte beherbergte und wohl auch dem Rudergänger Schutz vor den Unbilden des Wetters bot. Nur schräg von hinten konnte Twikus die Galionsfigur a m Bugspriet sehen, eine barbusige Nixe mit eidottergelbem Haar.
    An Bord gingen mehr als ein Dutzend Männer, augenscheinlich sehr geruhsam, unterschiedlichen Beschäftigungen nach. Sämtliche Segel waren gerefft. Das Schiff sah eher wie eine schlafende König i n aus denn eine mit überschäumender Reiselust.
    Direkt oberhalb der Seskwin brachten die Gefährten ihre  Tiere zum

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