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Mirad 01 - Das gespiegelte Herz

Mirad 01 - Das gespiegelte Herz

Titel: Mirad 01 - Das gespiegelte Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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geschickter Schachzug, Herrin.«   
    Sie lächelte. »Danke, mein Guter, aber die Ehre gebührt der kleinen Schwester.«
    »Ihr habt aus meinen Männern staunende Kinder gemacht. Außer denen glaubt heutzutage im Stromland nämlich keiner mehr an Märchengest a lten.«
    »Wie Ihr seht, Kapitän, sind Elven sehr real. Findet Ihr es nicht entzückend, wie hingerissen raubeinige Piraten sein können?«
    »Womöglich werden einige diesen zauberhaften Augenblick mit ihrem Leben bezahlen.«
    »Das Leben kostet immer das Leben, lie b er Bombo. Andernfalls würde die Zeit ja stehen bleiben. Es fragt sich nur, ob man es vergeudet oder etwas Sinnvolles damit anfängt. Ich bin überzeugt, Eure Gefährten haben die richtige Wahl getroffen.«
    Der Kapitän ließ mit grimmiger Miene seinen Blick durch die Reihen der drängelnden, mit ihren Fingern deutenden und sich kindlich freuenden Männer wandern. Seine Stimme war in ihrem überschwänglichen Geplapper kaum zu verstehen, als er brummte: »Das hoffe ich auch.«

15
MÜHSAL E DE R ENTFALTUNG
     
     
     
     
     
    Es war ein Irrtum. Nein, nicht Múrias Äußerung über die Entscheidung der Piraten, den Sternenspiegel zu suchen, offenbarte sich als Fehler, sondern Ergil und Twikus hatten sich getäuscht, als sie annahmen, die ersten Tage auf der Seskwin würden ein Zuckerschlecken w e rden, ein Dahingleiten im süßen Nichtstun. Genau das Gegenteil war der Fall.
    Nachdem man sich von Gonther und den vierbeinigen Freunden verabschiedet hatte, gingen die Vorbereitungen weiter bis tief in die Nacht. Nach Einbruch der Dunkelheit war bei leichtem Nieselregen eine letzte Wagenladung Proviant vom Oberhafen herbeigeschafft und im Laderaum verstaut worden. Jeder half mit. Auch die Prinzen. Bevor am nächsten Morgen die Sonne aufging, gab Bombo Befehl zum Lichten des Ankers.
    Und dann begann die Ausbildung für Vanias Söhne.
    Múria nannte die Plackerei sinnigerweise »Entfaltung«, weil die Zwillinge ein Gespür für die ihnen innewohnende Welt entwickeln sollten. Ihnen wurde zunächst eines klar: Die Schonzeit ihrer Kindheit war endgültig vorbei. Wenn einer g elegentlich stöhnte oder einen halben Tag Freizeit erbat, sagte Múria nur, die Zeit sei zu knapp, um sich dem Müßiggang hinzugeben.
    Wie beneideten die zwei ihre Freunde! Schekira hielt die Seeleute bei Laune oder schwirrte ab und zu in der Gegend herum. Falgon und Dormund schmiedeten Pläne für die Zeit nach Wikander oder navigierten mit Kapitän Bombo durch  stundenlange Gespräche. Aber sie – Ergil und Twikus –  mussten schuften bis zum Umfallen.
    Um ein wenig Abwechslung und Ordnung in den Unterricht z u bring e n, teilte die Lehrmeisterin ihn in verschiedene Wissenszweige auf, die sie »Fächer« nannte. So mussten die Schüler etwa in der Disziplin »Fernsehen« lernen, Dinge wahrzunehmen, die in einer anderen Falte der Welt verborgen, also mit dem bloßen Auge nicht e rkennbar waren. Im Fach
    »Durchdringung« ging es hingegen darum, in das Wesen einer belebten oder unbelebten Sache einzudringen, um aus ihrer Beschaffenheit nützliche Rückschlüsse auf ihren Zweck oder ihr Verhalten zu ziehen. Daneben gab es Stunden in weit e ren Wissenszweigen wie »Geschichte«, »Gotterkenntnis«,
    »Geografie«, »Heilen und Kräuterkunde« sowie »Zeitlesen und -formen«.
    Während Twikus bald ein besonderes Geschick für die praktischen Übungen entwickelte, spielte Ergil seine Stärken eher im theoretis c hen Teil des Lehrplans aus. Angepasst an diese Vorlieben einigten sie sich bald darauf, dass jeweils einer von ihnen den »Vorsitz« übernahm, also mit der Meisterin sprach oder ihre Anweisungen ausführte, während der andere still im Hintergrund aufpasste. Das klappte nicht immer, aber immer besser. Der ungewohnte Tagesrhythmus hatte für beide nur einen lästigen Nebeneffekt: Sie schliefen meistens schon beim Abendessen ein.
    Immerhin lernten die Zwillinge während der gemeinsam verbrachten Stunden ihre Kräfte z u vereinen. Ja, weil Múria gerade in diesem Zusammenwirken eine Möglichkeit zum teilweisen Ausgleich ihrer altersbedingten Nachteile sah, konzentrierte sie sich sogar besonders auf diese »gebündelte Form des Exerzierens« – so nannte sie die oft bis zum Umfallen wiederholten Übungen der Sirilimkünste.   
    Am sechsten Tag der bis dahin sehr friedlich verlaufenen Reise auf dem Kandenblood saßen die Schüler und ihre Lehrerin wieder einmal in der Kajüte, die Bombo ihnen freundlicherweise für den

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