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Mirad 01 - Das gespiegelte Herz

Mirad 01 - Das gespiegelte Herz

Titel: Mirad 01 - Das gespiegelte Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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Rest, weil ihr Schüler einfach in Richtung der Mannschaftsquartiere davongerannt war.
    Twikus ignorierte seinen Bruder, der im Abgrund tobte, jammerte und bettelte, aber offenbar noch nicht gelernt hatte, wie man sich seinen Körper zurückerober t e. Gut so, dachte er.   
    Das hier war nicht die Stunde der Angsthasen. Er eilte mit eingezogenem Kopf durch den Gang, hinein in den lang gestreckten Raum, den er mit Falgon, Dormund und dem Rest der Mannschaft teilte. Die Passagiere genossen den Komfort eigener Kojen. Abgesehen von Bombo und Permund, die über eigene Kajüten verfügten, mussten sich die anderen Piraten mit Hängematten begnügen, die jetzt verlassen unter den niedrigen Oberdecksbalken hin- und herschwangen.
    Endlich hatte er seine Koje erreicht und riss die Jagdwaffen heraus. Mit sicheren Griffen spannte er den Bogen, indem er die Sehne in die dafür vorgesehenen Kerben hängte, und warf ihn sich über die Schulter.
    Schon war er wieder auf dem Weg zurück. Bum! , donnerte es von oben. Im Laufen schnallte er sich den Gürtel um, an dem der Köcher hing. Múria erwartete ihn am Fuß des Niedergangs.
    »Da bin ich wieder«, sagte er. »Am besten, du versteckst dich in der Bilge, bis alles vorüber ist.«
    »Du hörst dich fast schon wie Falgon an. Ich komme mit nach oben, weil du mich brauchen wirst.«
    »Aber du hast keine Waffe!«
    Sie lächelte auf eine grimmig geheimnisvolle Weise. »Wie kannst du das sagen, ich habe doch dich.«
    Twikus öffnete den Mund, wollte abermals widersprechen, aber ihre entschlossene Miene hielt ihn z urück. Er nahm den Bogen von der Schulter, zog einen Pfeil aus dem Köcher und kletterte rasch den Niedergang hinauf. Múria blieb dicht hinter ihm.
    Sobald die Luke aufschwang, brach das Unheil wie eine Woge kochenden Wassers über sie herein. Twikus schre c kte vor dem aufwallenden Lärm unwillkürlich zurück, hatte sich aber sofort wieder im Griff. Vorsichtig wie ein Jäger auf der Pirsch reckte  er den Kopf über den Rand des Scherstocks, der sockelartigen Einsäumung des Ausstiegs. Da er nicht sofort angegriffen wurde, schob er rasch den ganzen Oberkörper an dem Längsträger vorbei, der gleicherweise als Halt für Mensch und Deckel diente. Von unten drang Múrias Stimme zu ihm.
    »Sieh dich vor, Twikus! Ohne dich ist alles verloren.«
    Schnell ließ er den Blick über das Oberdeck schweifen. Durch die Kajütenhütte in seinem Rücken war er einigermaßen geschützt. Das Tageslicht reichte kaum, um bis zum Bug zu sehen.
    Mittschiffs herrschte das reinste Chaos. Die Männer, unter ihnen auch Falgon und Dormund, hatten sich zwischen Fock - und Großmast zu einer Art Burg versammelt, standen also in einem lang gezogenen Kreis, das dort festgezurrte Beiboot als Rückendeckung nutzend. Ab und zu prallten Fische gegen den umgekehrten Rumpf der Schaluppe, wenn sie hinter einem sich duckenden Seemann ins Leere gestoßen oder von einer Waffe abgelenkt worden waren. Dann ertönte jedes Mal ein donnernder Paukenschlag. Bum ! … Bum! Damit war diese Frage geklärt.
    Die Verteidiger hatten dem Gegner schon schwere Verluste zugefügt. Eine nicht geringe An z ahl toter oder noch zappelnder Fische lag über das Deck verstreut, die meisten zu Füßen der Männer. Aber deren dicht gedrängte Reihen hatten sich ebenfalls schon gelichtet. Etliche Kämpfer bluteten aus tiefen Wunden und manche konnten sich nicht mehr auf d en Beinen halten, weil in denen ein ganzes Stück fehlte – die Fische schienen genau zu wissen, wie sie die Gegenwehr ihrer Beute schwächen konnten. Steuerbords lag in einer dunklen Lache ein Mann; das Schanzkleid – die über das Deck hinausragende Bordwand – hielt seinen Kopf weit zur Seite gebogen. Er bewegte sich nicht.
    Als Twikus’ Blick abwärts wanderte, fuhr er zusammen. Vor der Luke verendete gerade ein Fiederfisch. Der Schwanz des Tieres fehlte, aber die Hautflügel zuckten noch. Seine großen lidlosen Augen starrten Twikus kalt an, während sich zugleich das Gebiss aus dicht gefügten Dreiecken langsam öffnete und schloss. Als wolle der Fisch ihm eine Warnung zuflüstern. Aber Twikus hörte nichts. Nichts außer dem Schreien der Männer, dem Knattern der Flüg e l und dem Dröhnen der Kriegstrommel.
    Der junge Jäger schwang sich über den Scherstock an Deck und weil es ihm unmöglich schien, zu den Männern zu stoßen, zog er sich zunächst mit vier, fünf kurzen Schritten an die Hüttenwand zurück. Fast wäre er dabei aus g eglitten, weil die

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