Mirad 01 - Das gespiegelte Herz
Prinz warf einen bangen Blick auf seinen Köcher. Wie viele Pfeile hatte er noch? Höchstens drei Dutzend. Ein Schauer durchlief seinen Körper.
»So können wir nicht siegen«, rief Múria hinter ihm. »Komm zu mir, Ergil, damit wir gemeinsam das Stauwehr öffnen.«
Wütend schoss er in schneller Folge drei Pfeile hintereinander ab, die ebenso viele Löcher in das Knäuel der Flederfische bohrten. Sie hat nach Ergil gerufen! Als wenn ich zu gar nichts imstande wäre! Noch eine Dreierstafette sauste in den Abendhimmel hinaus und lichtete die Reihen der Angreifer.
Trotzdem schoss der Rammbock aus Gebissen, Flügeln und Schuppen unvermittelt nach unten.
Zwei weitere Tiere starben, ehe die Angreifer mit den Verteidigern in Berührung kamen. Einen Moment lang sah Twikus nur ein Gewimmel aus Flügeln, Armen, Klingen und Knüppeln. Er hörte das Knattern der federlosen Schwingen, das Klacken zusammenschlagender Gebisse und die Schreie von Männern.
Schnell schmolz der Vorrat seiner Pfeile dahin.
Er fühlte, wie ihn die Verzweiflung zu übermannen drohte, weil er ja nicht einfach in dieses Durcheinander schießen konnte. Selbst wenn bisher kein Pfeil sein Ziel verfehlt hatte, war die Gefahr einfach zu groß, einen der Männer zu verletzen. Alles, was ihm blieb, w ar, vereinzelte Ziele an der Peripherie anzuvisieren. Ein Schrei machte ihn auf Permund aufmerksam. Am Bein des Steuermanns hatte sich ein Fisch verbissen und ein zweiter aus der Nachhut sauste gerade heran. Das Tier wäre sein sicherer Tod. Twikus ließ alle Bedenken fahren. Er zielte und schoss, zielte und schoss.
Wenigstens diese Gefahr war damit gebannt.
Im nächsten Moment wirbelte er herum und ließ einen weiteren Pfeil von der Sehne fahren. Der getroffene Fiederfisch landete vor Múrias Füßen. Anstatt si c h zu bedanken, nutzte sie den Augenkontakt mit ihrem Retter für eine neuerliche Ermahnung.
»Alles, was du damit erreichst, ist ein Aufschub, Twikus. Komm zu mir und vertrau dich den Händen deines Bruders an.«
»Nein!«, schrie er wütend und drehte sich wied e r um.
Der Verteidigungsring bei der Schaluppe glich zunehmend einer losen Postenkette. Bald die Hälfte der Männer hockte mit dem Rücken am Beiboot oder wand sich vor Schmerzen zwischen den toten Fischen. Obwohl Twikus dräute, dass Múria mit ihrer Einschät z ung Recht behalten würde, verschoss er auch noch seine letzten Pfeile.
Schon bildete sich über dem Schiff ein neuer Rammbock aus Fischleibern. Der Waffenmeister und Dormund forderten die Männer beiderseits der Schaluppe auf, sich vor ihren verletzten Kamer aden zusammenzuscharen. Dann sah Falgon zu seinem Zögling herüber und rief: »Flieh in die Bilge, Twikus, solange du es noch kannst! Flieh!«
Anstatt zu gehorchen starrte der Prinz nur grimmig auf das immer dichter werdende Knäuel aus Fiederfischen, das län g sseits des Schiffes hin und her wogte. Nur auf der Steuerbordseite sammelten sie sich zum Angriff. Alle anderen Attacken hatte der Schwarm eingestellt. Als wüsste er, dass sein nächster Schlag der letzte und entscheidende sein würde.
»Und jetzt?«, hörte er hinter sich Múrias Stimme – erstaunlich leise – sagen.
Der Jagdbogen entglitt Twikus’ Fingern. Seine Hand legte sich auf kühlen Stahl. »Jetzt«, erwiderte er beherrscht, »jetzt werde ich sie das Himmelsfeuer schmecken lassen.«
Er öffnete die verschränkten Enden seines gläsernen Gürtels und Zijjajim fiel wie ein seidenes Band herab, das Heft behielt er fest in der Hand. Als Nächstes zog er am Knauf und das Griffstück verwandelte sich mit leisem Klicken in eine silbern schimmernde Blüte. Dann richtete sich das Schwert auf und begann hell zu strahlen.
Mit wenigen Sätzen war Twikus bei Falgon, Dormund, Bombo und den anderen Gefährten, die sich in einem Halbkreis schützend vor ihre verletzten Kameraden gestellt hatten. Er nahm den Platz am Scheitelpunkt des Bogens ein, da, wo er den Angreifern am nächsten war.
Und dann stießen die Fische auch schon auf sie herab.
Twikus ließ die Spitze des Schwerts vor seinem Gesicht kreisen. Vielleicht waren diese Bestien ja wie Motten, die sich stur ins Licht stürzten, selbst wenn dieses ein Feuer war, das sie verbrannte.
Auch damit hatte er instinktiv das Richtige getan. Das Geschoss aus knatternden Leibern verwandelte sich in einen Keil, dessen Spitze direkt auf ihn zuraste. Twikus schluckte. Sieht so mein Ende aus? Der Gedanke war noch nicht ganz gedacht, als die Klinge
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