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Mirad 01 - Das gespiegelte Herz

Mirad 01 - Das gespiegelte Herz

Titel: Mirad 01 - Das gespiegelte Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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hatten.
    Der Sternenspiegel.
    Die Sonne hing wie ein orangeroter Feuerball über dem See, als die winzige Schaluppe auf die riesige glitzernde Wasserfläche hinausfuhr. Für die Gefährten im Boot, die tagelang durch den lebensfeindlichen Brodem der Namenlosen Sümpfe gefahren waren und durch die Baumkronen kaum einmal den Himmel gesehen hatten, war dieser Anblick überwältigend. Daher dauerte es auch eine ganze Weile, bis ihnen zu Bewusstsein kam, dass im Osten, W e sten und Süden kein Horizont zu sehen war.
    Der Sternenspiegel glich einem Ozean.
    Einem Meer, in dem sie binnen einem Tag eine unsichtbare  Insel finden mussten.

19
DER PALAST DER SCHMETTERLINGE
     
     
     
     
     
    Einzig Harkon Hakennase hatte gewagt, den Sternenspiegel in seine Mirad - Karte einzuzeichnen. Darauf war sogar eine Insel im Nordwesten des herzförmigen Sees zu erkennen. Die seriösen Kartenmacher hätten es als Verstoß gegen das Berufsethos betrachtet, ihre Werke mit Gewässern oder Eilanden zu verfälschen, die e i ndeutig in die Kategorie
    »Ammenmärchen« fielen. Was sollte man auch von einer Insel halten, die nur bei Neumond erschien und von keinem noch so begabten Navigator angesteuert werden konnte?
    »Die alte Hakennase scheint Recht zu haben«, brummte Falgon. Sein Gesicht glühte rötlich im Licht der Sonne, die gerade am westlichen Horizont versank. Die Meerschaumprinzessin schien genau auf die Stelle zuzuhalten. Federwolken am Himmel kündigten einen Wetterwechsel an. Bombo wollte sich an diesem Abend nicht mehr allzu weit vom Ausfluss des Groterspund aus dem Sternenspiegel entfernen und war auf der Suche nach einem geeigneten Ankerplatz. Auch Schekira erkundete bereits das angesteuerte Ufer.
    »In welcher Hinsicht?«, fragte der Kapitän.
    »Was die Größe des Sees anbelan g t. Sein Durchmesser dürfte an die dreihundert Meilen betragen – sofern Hakennases Karte mehr als ein Phantasieprodukt ist.«
    »Da der alte Abenteurer verschollen ist, können wir ihn nicht mehr fragen«, meinte Dormund.
     
    Múria gab lächelnd zu bedenken: »Manche seiner angeblichen Lügengeschichten haben sich später als wahr erwiesen. Ich bin dafür…«
    »Dreihundert Meilen?«, stieß Ergil überrascht hervor. Erst in diesem Moment war ihm bewusst geworden, was das bedeutete. Mit einem entschuldigenden Blick sah er sich z u seiner Meisterin um.
    Die ließ ihn ein Weilchen in ihrem tadelnden Schweigen schmoren, bevor sie fortfuhr: »Wir können in einer Nacht nicht den ganzen See abfahren. Daher bleibt uns gar nichts anderes übrig, als die unsichtbare Brücke dort zu suchen, wo der gute Harkon sie in seine Karte eingezeichnet hat.« Sie deutete in Richtung der untergehenden Sonne.
    Bombo blickte mit zerknitterter Miene zum Segel hinauf.
    »Wenn der Wind nach Westen dreht, was ich befürchte, dann werden wir ordentlich dagegen ankreuzen müssen. Ich hoffe nur, der morgige Tag reicht uns aus, um die Strecke zu bewältigen.«
    »E r muss reichen, Kapitän«, erwiderte Múria. Ihr Gesicht war wie in Ton gebrannt. »Das Schicksal Mirads hängt davon ab.«
    Gegen Mittag des neunten Tages trafen Bombos B efürchtungen ein. Der Wind drehte auf West. Er blies den Gefährten jetzt direkt ins Gesicht. Ihnen blieb nichts anderes übrig, als dagegen zu kreuzen, also im Zickzackkurs weiterzusegeln. Der längere Weg, den die Schaluppe dadurch zurücklegen musste, kost e te Zeit. Zeit, die sie nicht hatten.
    Bald fing es auch noch an zu regnen. Viel zu früh. Der Himmel war schon seit dem Morgen grau gewesen. Sogar das Wetter schien sich gegen die Gemeinschaft verschworen zu haben.   
    »Wir werden es nicht rechtzeitig schaffen«, rief der Kapitän am späten Nachmittag gegen den Wind an. Seine Miene spiegelte Unmut wider. Er war genauso nass wie die anderen, weil sie auf den Schutz des Zeltes verzichtet hatten; es hätte das Boot nur unnötig gebremst.
    »Wollt Ihr etwa aufgeben?«, erwiderte Múria. Sie musste ihre Kapuze mit der Hand auf dem Kopf festhalten, damit sie nicht heruntergeweht wurde.
    »Nein, ich hielt es nur für meine Pflicht, Euch über die seemännischen Aspekte unserer Reise aufzuklären. Bombo von Bolk gibt niemals auf. Die N iedertracht darf nicht siegen. Das habt Ihr einmal zu mir gesagt, Herrin.«
    »Ihr habt ein tapferes Herz, Kapitän. Danke für Eure  Einschätzung.«
    Der kleine Mann nickte, ohne das Gesicht zu verziehen.
    »Wir könnten doch die Meerschaumprinzessin ›umlenken‹, so wie wir es mit der Seskwin getan

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