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Mirad 01 - Das gespiegelte Herz

Mirad 01 - Das gespiegelte Herz

Titel: Mirad 01 - Das gespiegelte Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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taten dies auch die anderen. Nachdem das Dankgebet gesprochen war, langte der Gast umso beherzter zu. Ergil verspürte dagegen überhaupt keinen Appetit. Er kam sich vor wie in einem seiner Träume und überlegte gerade, ob er in einem solchen überhaupt je Hunger oder Durst  empfunden hatte, als Olam ihn unerwartet ansprach.
    »Was geht dir durch de n Kopf , junge r Freund?«
    Der plötzliche Wechsel im Tonfall irritierte Ergil. Hatte sich Olam nur versehentlich in der korrekten Anredeform vergriffen?
    »Ih r sei d so…«
    »Sprich zu mir wie zu einem Bruder, Ergil«, unterbrach Olam ihn sanft.
    Obwohl er nur zu genau wusste, wie dieses Angebot zu verstehen war, fiel es ihm schwer, eine Legende wie den Weisen vom Sternenspiegel »wie einen Bruder« anzureden. Daher begann er ganz unverfänglich.
    »Múria hat mir zwar ein paar Dinge über Olam den Träumer erzählt.«
    »Ich hoffe, nur Gutes.« Er schmunzelte.
    »O ja! Sie sprach von… dir als von einem weisen Mann mit lauterem Herzen. Es ist nur…«
    »Ja?«
    »Ich verstehe vieles nicht. Warum ›Träumer‹ und  ›Äonenschläfer‹? Ich würde gern wissen, was diese Beinamen bedeuten.«   
    »Nun, ich habe das Gefühl, ihr wollt mich wieder verlassen, bevor der Mond meine Insel von dieser Welt entrückt. Wir haben also wenig Zeit für Formalitäten. Daher will ich mich auch kurz fassen, was meine Person betrifft. Wichtiger ist wohl der Anlass eures Kommens. Also hört mir gut zu. Es begann alles vor nunmehr fast sechstausend Jahren…«
    Die Geschichte, die der Weise nun erzählte, war so erstaunlich, dass sich Ergil immer wieder die wundersamen Umstände ihres Zusammentreffens in Erinnerung rufen musste, um nicht dem Unglauben anheim zu fallen. Er gehöre zu einer anderen Welt, erklärte Olam, einer Welt, die sich Erde nenne. Dieser Perle der Schöpfung wurde am Anbeginn der Zeit von einem ehrgeizigen Sohn des Ewigen Gewalt angetan. Der Widersacher neidete seinem Vat e r die Verehrung durch dessen Geschöpfe und so fasste er den Plan, eine eigene Welt hervorzubringen, deren vernunftbegabte Wesen allein ihn anbeteten. Da ihm die Macht fehlte, dergleichen aus dem Nichts zu formen, entriss er der Erde einen Teil ihres Herzens. Daraus erschuf er die »Tränenwelt« Neschan und ließ sich fortan Melech - Arez nennen, »Herrscher der Welt«. Weil seine Kreaturen bestenfalls ein Zerrbild der irdischen Menschheit waren, ging er verbissen an einen Neuanfang. So entstand Barak. Auch diese S chöpfung entsprach nicht seinen hoch gesteckten Zielen, weshalb er es ein weiteres Mal und dann immer wieder versuchte, bis er schließlich aus den Bruchstücken des Erdenherzens sechs Welten erschaffen hatte. Neben den bereits erwähnten bildete er Sachor, Arum, Tehom und zum Schluss, als nur noch ein paar kleine Brocken seiner Beute übrig waren, Mirad.
    »Wie schon bei den fünf gescheiterten Versuchen, so verwilderten auch die Wesen dieser letzten Welt binnen weniger Generationen. Die anfängliche Schönheit erwies sich als bloße Hülle, unter der Hässlichkeit und Niedertracht zum  Vorschein kamen. Die Kreaturen waren eine Verkörperung des verkommenen Charakters ihres Schöpfers. Als auf Mirad nur noch ein Mann und eine Frau übrig waren, die dem irdischen Vorbild entsprachen, griff der Ewige ein – ihr nennt ihn Der- der- tut - wa s - ihm - gefällt. Er heilte die von der Geltungssucht und maßlosen Selbstüberschätzung seines Sohnes gerissenen Wunden insofern, als er den Verfall aufhielt. Doch auch jenes letzte Paar besaß bereits den Makel der Unvollkommenheit. Aus seinen Nachkommen gingen zwei Geschlechter hervor. Das eine, die Menschen, war eher wild und kurzlebig, das andere dagegen von edlerer Gesinnung und mit einer nahezu unerschöpflichen Lebenskraft ausgestattet: die Siril im.«
    »Warum hat De r -de r - tu t - was - ihm - gefällt nicht einfach die missratenen Welten vernichtet?« Die Frage war Ergil herausgerutscht, ehe er sich dessen bewusst wurde. Zu seiner Rechten stöhnte Múria leise.
    »Ein guter Einwurf!«, lobte Olam. »Der Rebell hatte einige schlimme Lügen über seinen Vater verbreitet: Dessen Geschöpfe dienten ihm nur aus Eigennutz, solange es ihnen gut ging; in Wahrheit sei ihnen der Ewige herzlich egal. Außerdem bräuchten sie dessen Werte nicht, sondern könnten nach Belieben eigene Normen für Böse und Gut aufstellen. Selbst wenn De r - de r- tut - wa s - ihm - gefällt den Rebellen und seine Brut mit Stumpf und Stiel ausgemerzt

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