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Mirad 01 - Das gespiegelte Herz

Mirad 01 - Das gespiegelte Herz

Titel: Mirad 01 - Das gespiegelte Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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einem Traum als der Wirklichkeit. Nach allem, was Múria über diesen Mann gesagt hatte, musste er mindestens viertausendvierhundert Jahre alt sein. Olams markantes, schlankes Gesicht mit der langen schmalen Nase, den vorspringenden Wangenknochen und den großen dunklen Augen ließ diesbezüglich jedoch kaum eine Schätzung zu. Er hätte ebenso gut vierzig wie auch siebzig sein können.
    Inzwischen hatte er die Gruppe beim Tisch erreicht. Múria verbeugte sich, tiefer als Ergil es je bei ihr gesehen hatte, und sagte: »Möge Eure Hoffnung nie sinken, Weiser vom Sternenspiege l . Wir fühlen uns beschämt, aber zugleich  überaus geehrt, Euch Sorgen bereitet zu haben. Ich bin Múria;  die Sirilim nannten mich Inimai.«
    Der Herr des Schmetterlingspalastes verneigte sich sparsamer. »Ein Name, der Eurer Schönheit angemessen ist, die fürwa h r kaum vollkommener sein könnte.«
    »Und ich bin Falgon, Sohn des Boger, einstiger Waffenmeister des Großkönigs Torlund von Soodland«, polterte ebendieser heraus, als empfinde er Missfallen über die klitzekleine Einschränkung, die Olam im Hinblick auf Múrias Schönheit durch die Verwendung des Wörtchens »kaum« hatte anklingen lassen.
    Sofern dem Gastgeber die im Tonfall versteckte Rüge aufgefallen war, ließ er sich nichts anmerken. Er verneigte sich ebenso, wie er es bei Múria getan hatte.
    Hiernach machte die Herrin der Seeigelwarte Olam mit den übrigen Gefährten bekannt. Auch Schekira erhielt von ihm ein Kompliment für ihre Anmut und Grazie.
    Wir sind wieder die Letzten in der Reihe, nörgelte Twikus.
    Ist doch wohl klar, entgegnete Ergil. Múria hat mit sich selbst  – der Ältesten – begonnen. So sind eben die Anstandsregeln.
    Habe eher das Gefühl, sie will sich die Hauptattraktion bis zum Schluss aufsparen. Ich komme mir vor wie der Wurzelgnom, der in Bolk gegen den Hünen im Leopardenkostüm antreten musste.
    »Und nun zu den jüngsten, aber ohne Frage wichtigsten Mitgliedern unserer Gemeinschaft«, sagte Múria. Ihre Hand deutete auf die Zwillinge. »Ihr habt Ergil von Sooderburg vor Euch, der mit Euch reden wird. Zugleich seht Ihr aber auch seinen Bruder Twikus, der in einer anderen Falte ihres Geistes wohnt und sich derzeit im Hintergrund hält. Sie sind die Söhne von Torlund dem Friedsamen und rechtmäßige Erben des Thrones von Soodland sowie von Vania, Tochter von Baro q - abbirim aus dem Geschlecht Jazzar - siril , der…«   
    »… mir bestens bekannt ist«, unterbrach Olam die Vorstellung, an der ihn irgendetwas belustigte. Zumindest lächelte er eher amüsiert als imponiert. Selbst die Begegnung mit einem Sirilim - Zwilling schien ihn nicht im Geringsten zu überraschen. Sein ganzer Kommentar dazu lautete: »Ich dachte schon, Ihr wolltet mir die Edelsten Eurer erlesenen Gesellschaft vorenthalten.«
    Verlegenheit war etwas, das Ergil bei seiner Meisterin nicht kannte. Umso mehr erheiterte ihn die beinahe mädchenhafte Unsicherheit, die auf Múrias Gesicht immer dann durchschimmerte, wenn Olam seinen hintergründigen Humor spielen ließ.
    »Wie es scheint, muss ich mich nicht vorstellen«, sagte dieser in lockerem Ton. »Sagt bitte Olam zu mir. Mir sträuben sich immer die Haare, wenn ich als Weiser, Träumer oder Äonenschläfer angesprochen werde. Doch müsst Ihr Euch setzen und Euch stärken. Die Reise hierher war gewiss beschwerlich.«
    »Woher wollt Ihr das wissen?«, fragte Bombo.
    Olams Mundwinkel zuckten. »Welche Antwort wollt Ihr hören, die metaphysische oder lieber die ganz profane? Erstere klingt ungefähr so: Jemand, der weiter blickt als ich, hat diesen Tisch hier für euch decken lassen.« Er deutete auf selbigen.
    Bombo verlangte auch die weniger übernatürliche Erklärung zu hören.
    »Ihr seht – verzeiht den Ausdruck – ziemlich gerupft aus«, sagte Olam freimütig.
    »Gerupft?«
    »Abgerissen, gehetzt, erschöpft, schmutzig…«
    »Wir haben Euch verstanden!«, entfuhr es Múria.
    »Verzeiht, Inimai. Ich spreche Eure Zunge nur in meinen Träumen. Daher bin ich nie ganz sicher, ob ich die richtigen Wortbilde r finde.«
    »Sie waren sehr anschaulich, Weiser vom…«
    »Olam! Bitte nennt mich Olam, Herrin.«
    Sie nickte ergeben und ließ sich von ihm ein Sitzkissen zuweisen. Auch die anderen nahmen rund um die Tafel Platz. Jonnin wollte sich sofort auf die Speisen stürzen, aber Olam hielt ihn zurück. Er werde zunächst um den Segen für die Mahlzeit bitten. Verlegen neigte der junge Seemann sein Haupt und mit ihm

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