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Mirad 01 - Das gespiegelte Herz

Mirad 01 - Das gespiegelte Herz

Titel: Mirad 01 - Das gespiegelte Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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stöhnte. »Jetzt fang nicht du auch noch damit an! Was ist los hier? W ovor fürchtet sich die Stadt?«
    »Vor dem Volk, dessen Name wie die Gischt spritzenden Wassers klingt. Vor den Formlosen, die nachts aus den Brunnen steigen und die Gassen hinauffließen. Vor dem Tod, bei dem nichts übrig bleibt als die Erinnerung an einen g e liebte n Menschen.«
    »Ischschsch!«, entfuhr es dem alten Waldläufer.
    Das Käuzchen auf Ergils Schulter schlug aufgeregt mit den Flügeln. Nur durch Streicheln und leises Zureden ließ es sich wieder beruhigen.
    Falgons Gesicht war im Schein der Öllampe zu einer Maske des Schreckens geworden. »Sie sind hier in der Stadt?«
    Dormund nickte mit versteinerter Miene.
    »Aber Fungor liegt doch außerhalb des Grünen Gürtels.«
    »Die Zeiten ändern sich, Herr Falgon.«
       Obwohl Ergil ahnte, dass hier von etwas absolut Entsetzlichem die Rede war, konnte er sich unter dem seltsam zischenden Wort nichts vorstellen. »Ischschsch?«, wiederholte er es. »Wer oder was soll das sein?«
    Falgon musste sich erst räuspern, bevor er antworten konnte. Seine Stimme kam leise, als könne ein zu lautes Wort etwas unvorstellbar Grauenvolles heraufbeschwören. »Man nennt sie auch ›die Formlosen‹. Sie sind ein Überbleibsel aus jenem frühen Zeitalter, in dem der Große Alte und der Grüne Gürtel noch andere Namen besaßen. Seit jeher leben sie im Herzen dieses grünen Ozeans. Mirad ist ja, wie du dich erinnern wirst, keine Schöpfung Desse n -der- tut - was - ihm - gefällt, sondern ein Werk des ›Herrschers der Welt‹, den man in der alten Sprache Melech - Arez nennt. Dieser abtrünnige Sohn des Allmächtigen wollte vollkommene Geschöpfe erschaffen und hat dabei allerlei Widerliches und Boshaftes hervorgebracht. So entstanden auch jene Kreaturen, die von den Sirilim
    ›Waldgeister‹ genannt wurden, obwohl sie anfangs einen Körper wie jedes andere Geschöpf Mirads besaßen. Ihrem Wesen nach waren sie jedoch dämonisch. Nachts kamen sie aus ihren unterirdischen Höhlen und töteten die Männer, Frauen und sogar Kinder des Volkes der Weisen. Jazzar - siril, der legendäre erste König der Sirilim vom Grünen Gürtel, bereitete dem Treiben der boshaften Kreaturen ein vorläufiges Ende. Zu diesem Zweck hatte ihm der Höchste Zijjajim gegeben, das gläserne Schwert. Mithilfe der darin wohnenden Kraft verbannte Jazzar - siril die Waldgeister. Sie verloren ihre feste Gestalt und wurden im Wasser unter den Wur z eln der Bäume gebunden. Äonen später wandelte der dunkle Gott Magos den Fluch um. Seitdem verbreiten sie im Grünen Gürtel Angst und Schrecken, weil sie aus Bächen, Brunnen und sogar aus dem Erdreich aufsteigen, um andere Lebewesen anzugreifen. Du könntest ein Glas klares Wasser zum Mund  führen, ohne die Ischschsch darin zu erkennen. Wenn ihnen der Sinn danach steht, können sie aus ihrem Element wabernde Figuren bilden, Trugbilder ohne festen Bestand. Wird irgendeine Kreatur von den Ischschsch völlig umschlossen, dann löst sie sich in ihnen auf und wird selbst zu einem gestaltlosen Wesen, einem Gefangenen ohne eigenen Willen.«

8
DAS GLÄSERNE SCHWERT
     
     
     
    Die Stille war bedrückend. Ergil spürte an der rechten Schulter, wie sich Schekiras Krallen in seine Haut bohrten, aber er fühlte keinen Schmerz. Den anderen im Pferdestall erging es vermutlich ähnlich wie ihm, der sich diese schlichte Umschreibung im Geiste vorzustellen versuchte: E r wir d zu einem gestalt- und willenlosen Wesen … Nach einem Schweigen, das ihm unendlich erschien, verschaffte sich Falgon Gehör.
    »Das sind wahrhaft schlimme Neuigkeiten. Aber eines musst du mir noch erklären, Meister Dormund. Wir haben gesehen, wie die Menschen in der ganzen Stadt ihre Türen und Fenster abdichten – offensichtlich u m das Eindringen der Ischschsch in die Häuser zu verhindern. Warum liegt vor deinem Tor kein einzige r Lumpen?«
    Der Schmied lachte bitter. »Weil ölgetränkte Lappen, Wachstücher und Sandsäcke die Formlosen nicht fern halten können. Wen sie holen wollen, den hole n sie.«
    »Du meinst, sie dringen gezielt in einzelne Häuser ein und…?« Falgon verzichtete auf eine nochmalige Schilderung des grauenvollen Vorgangs.
    Dormund strich sich über die Glatze und ließ seine Hand im Nacken liegen. Langsam nickte er. »Ja, Herr F algon. Zuerst haben sie die wenigen Gelehrten geholt, die noch vor den Machenschaften Wikanders warnten. Inzwischen lassen sie jeden verschwinden, dessen glühende

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