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Mirad 01 - Das gespiegelte Herz

Mirad 01 - Das gespiegelte Herz

Titel: Mirad 01 - Das gespiegelte Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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verbinden. Am Ende der Klinge siehst du das  Gegenstück dazu. Schiebt man Griff und Blatt zusammen, dann sind sie miteinander verkeilt.«
    »Sicher genug, um in einem Kampf nicht auseinander zu fallen?«
    »Nein.« Diesmal kam die Erwiderung von Dormund. Der  Schmied massierte sich den Schädel und seufzte.
    »Das scheint Euch Kopfzerbrechen zu bereiten«, sagte der  Junge.
    »Vermutlich schon so lange, wie Ihr alt seid, junger Herr. Die sich entfaltende Blüte besteht aus einem Stahl, der nach dem Geheimrezept eines großen susanischen Meisters gegossen, gefaltet und geschmiedet wurde – de r begnadete Ulam hat es mir auf dem Sterbebett überlassen. Die Blätter sind zwar dünn, besitzen aber genau die richtige Mischung aus Elastizität und Festigkeit, um selbst dem Hieb eines Zweihänders standzuhalten. Es war nicht leicht, dieses besondere Mater i al in eine so kunstvolle Form zu bringen und zugleich mit einer zuverlässigen Mechanik auszustatten. Aber ich habe es im Laufe von knapp einem Jahr geschafft. Die Königin hatte auf der Sooderburg eigens zu diesem Zweck eine Werkstatt für mich einrichten l a ssen. Mein liebes Weib und mein Töchterchen waren stolz auf mich und auch Torlunds Gemahlin wollte ich mit meiner Arbeit verzaubern. Aber es kam anders. Als der Tag nahte, ihr mein Meisterstück vorzustellen, hat Wikander die Festung überfallen. Vania starb, bevor sie mir das letzte Geheimnis verraten konnte, nämlich wie man Schwertgriff und - blatt fest miteinander verbindet.«
    Ergils Forschergeist war geweckt. Er näherte sich wieder dem Steinblock und beugte sich zu der schlaffen Klinge herab. Bald glaubte e r den Grund für Dormunds Verzweiflung zu kennen.
    »Da ist ein Loch in den Zinken, sowohl beim Griff wie auch am hinteren Ende des Schwertblatts, vermutlich, um einen  Haltestift hindurchzustecken. Viel dicker als eine Nähnadel darf er allerdings nicht sein, so dünn, wie die Bohrung ist.«
    »Das habt Ihr fein beobachtet, junger Herr. Leider konnte ich trotz jahrelangen Herumprobierens bisher kein Material finden, das sich bei der Stärke eines Drahtes nicht mit bloßen Händen zerreißen ließe, von den Kräften, die bei einem Schwertkampf walten, ganz zu schweigen.«
    Ergils Finger schwebten dicht über die durchscheinende Klinge, die jetzt glatt auf dem Steintisch lag. Ob sie kalt war wie Glas? Er wollte sie spüren, sie tastend erkunden. Das Bedürfnis, einfach die Hand sinken zu lassen, wurde immer größer. Wieder bewegte sich Schekira nervös auf seiner Schulter, als wollte sie ihm etwas sagen, wagte aber nicht, dem Käuzchen eine Stimme zu geben. Dormund – und auch Falgon  – beobachteten aufmerksam jede seiner Bewegungen.
    »Manchmal verstehe ich eine Sache besser, wenn ich sie berühre«, sagte Ergil leise.
    »Das kann ich gut verstehen. Nur zu!«, antwortete Dormund aufmunternd.
    Ergil gab seinem Verlangen nach und legte seine Hand auf das gezahnte Ende. Sogleich zuckte sie wieder zurück. »Es ist warm«, sagte er verblüfft.
    »Man nennt das Schwert ja nicht von ungefähr  Himmelsfeuer«, erwiderte der Schmied.
    Erneut ließ Ergil seine Finger herabsinken, behutsamer als zuvor, und strich sacht über das Blatt, das sich so gar nicht wie ka l tes Glas anfühlte. Fast kam es ihm lebendig vor. Er übte einen leichten Druck aus und wunderte sich abermals. Die einschneidige Klinge war so hart wie Stahl. Als er mit dem Daumen hauchzart an der leicht gebogenen Schneide entlangfuhr, fühlte er einen brennenden Schmerz. Wieder sprang seine Hand zurück. Ein feiner blutiger Strich auf dem  Finger zeugte von der Schärfe des Schwertes. Dormund und  Falgon tauschten einen wissenden Blick.
    Jetzt konnte Ergil nicht mehr länger an sich halten. Er nahm, um sich kein zweites Mal zu verletzen, das stumpfe Ende der Klinge in beide Hände und zog sie behutsam vom Tisch. Einen Moment lang zweifelte er noch, als das klare Band sich wie ein Ledergurt in der Mitte zu verbiegen begann. Noch befand sich die Spitze auf dem schwarzen Block. Ergils Gefühle lagen mit seinen Beobachtungen im Widerstreit. Das Schwert sprach zu ihm, ebenso wie früher die Bäume und Steine mit ihm geredet hatten. Doch die »Stimme« der Klinge war zu leise, um sie zu verstehen. Er schloss die Augen, versuchte eins zu werden mit dem durchsichtigen Stahl, der kristallenen Klinge, dem gläsernen Schwert… Er suchte angestrengt nach einer befriedigenden Umschreibung, die zu seinen Empfindungen passte.
    Zijjajim! So und nicht

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