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Mirad 02 - Der König im König

Titel: Mirad 02 - Der König im König Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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bestehen. Sie ist so gut wie unverwüstlich. Vielleicht trägt der Hüter die Nadel am Körper. Schau ihn dir genauer an.«
    Widerstrebend näherte sich Ergil der Leiche von der Seite. Sein Verstand sagte ihm, er habe nichts zu befürchten, aber sein Herz schlug ihm bis zum Hals. Dem Tod muss sich jeder stellen, ob er die Pforte schließen oder öffnen mag, wiederholte er frei den Fluch. Hatte er den Wortlaut bisher nur falsch verstanden? War etwa diese Begegnung mit dem Skelett des Hüters, einem Boten aus dem Haus der Toten, damit gemeint? Musste man ihm Auge in Auge gegenüberstehen, um den Schatz der neunten Kammer zu sehen?
    Ergil bewegte sich langsam um den Knochenmann herum. Und tatsächlich, als er direkt in die leeren Augenhöhlen des Schädels blickte, tauchte hinter einer Falte des schimmernden Umhangs ein Gleißen auf. Es war kein normales Licht. Obwohl es wie glühendes Eisen strahlte, vermochte es die Kammer nicht im Geringsten zu erleuchten – sonst hätte er es vermutlich schon viel früher entdeckt. Aber jetzt, wo er es direkt ansah, spürte er den ihm nur allzu vertrauten, fast schmerzhaft frostigen Glanz. Wikanders Schwert hatte genauso gestrahlt: blendend hell und doch eisig kalt. Hier indes verblüffte Ergil die Form des Kristalls.
    »Ein gespiegeltes Herz«, hauchte er.
    »Was?«, fragte Múria.
    Er schüttelte den Kopf. »Ich habe sie gefunden.«
    Auf den ersten Blick hatte das Ginkgoblatt tatsächlich wie ein strahlendes Herz ausgesehen und weil die Nadel über dem echten, wenn auch längst zu Staub zerfallenen Herzen des Hüters steckte, hatte sich bei Ergil spontan diese Gedankenverbindung eingestellt: Ein gespiegeltes Herz.
    Vielleicht war es ihm und Twikus seit Urzeiten vorherbestimmt, die Ginkgonadel aus der neunten Kammer zu bergen?
    Er riss die Augen auf und schnappte nach Luft.
    Vom Schildknappen bis zum Mazar sahen ihn alle erwartungsvoll an.
    »Ihr habt die Nadel tatsächlich gesehen?«, fragte Oramas argwöhnisch.
    Ergil nickte. Er fühlte sich erschöpft. »Jetzt muss ich sie nur noch aus der Kammer herausbekommen.«
    »Ohne die Pforte zu öffnen?«, vergewisserte sich der Mazar und hörte sich dabei noch ungläubiger an.
    »Ohne die Pforte zu öffnen«, wiederholte der junge König, wobei er Mühe hatte, es nicht wie ein Nachäffen des Zweiflers klingen zu lassen.
    »Die zwei sind sehr begabt«, erklärte Múria, als müsse sie ihre Schüler in Schutz nehmen.
    Oramas verkniff sich eine Bemerkung.
    Ergil schloss erneut die Augen, um sich nicht ablenken zu lassen. Massiven Fels mit der Gabe des Fernsehens zu durchdringen war eine Sache, ihn mit der Hand zu durchqueren eine ganz andere.
    Es gelang ihm nicht sogleich, die passende Falte zu finden, die zum Hüter der Nadel führte. Nachdem er eine Weile ergebnislos die Umgebung der Felstür abgesucht hatte, drehte er sich um und erforschte die Wand auf der anderen Seite des Gangs.
    »Die Kammer ist hier, Hoheit.« Der gut gemeinte Einwurf kam von Hauptmann Masake.
    »Ja«, antwortete Ergil wie ein Schlafwandler im Traum und bewegte sich weiter an der gegenüberliegenden Wand entlang.
    »Nein«, beharrte der Adjutant des Generals. »Ich habe mich wohl undeutlich ausgedrückt, Hoheit. Die neunte Kammer ist auf dieser Seite.«
    »Das ist mir klar«, knurrte der junge König.
    »Aber warum…?«
    »Als ich noch ein Junge war«, unterbrach Ergil den Hauptmann, »und durch den Wald streifte, fand ich ein aus seinem Nest gefallenes Mooshörnchen. Wie durch ein Wunder war es unverletzt geblieben. In schwindelnder Höhe hörte ich seine Geschwister tschirpen. Ohne mir der Besonderheit meines Handelns bewusst zu sein, steckte ich meine Hand mit dem hilflosen Geschöpf in eine Spalte zwischen den Wurzeln des Baumes und als ich sie öffnete, plumpste das Kleine hoch oben wieder ins Nest zurück. So werde ich’s auch hier machen, mit dem Unterschied, dass ich heute nicht gebe, sondern nehme.«
    Masake schwieg. Ergil vermutete, dass es dem Hauptmann die Sprache verschlagen hatte, und konzentrierte sich wieder auf seine Aufgabe.
    Wenig später fand er endlich den Durchschlupf, der in die Kammer führte. »Was mit Pfeilen geht«, murmelte er, »kann man nämlich ebenso mit einem Körperteil tun.«
    Als er das Wort »Körperteil« aussprach, verschwand vor den Augen aller seine Hand in der Wand.
    Irgendjemand rang nach Luft. Ein anderer murmelte etwas vor sich hin.
    Bald steckte der Arm des Königs bis zur Schulter im Fels. Sein zur Seite gedrehtes

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