Mirad 02 - Der König im König
Mal anzuhalten. Wie lange waren wir fort?«
»Ungefähr drei Stunden.«
»Was?«, japste Ergil verblüfft. Während er sich nur für einen Moment in dem zäh fließenden Zeitstrom der benachbarten Falte aufgehalten hatte, waren hier geschlagene drei Stunden vergangen? Er konnte es nicht fassen.
»Ihr zwei solltet euch dringend ausruhen«, empfahl Schekira.
Er nickte. »Ja. Aber zuerst müssen wir die Silberginkgo fertig zum Auslaufen machen und in See stechen.«
Das Käuzchen beäugte den König aus großen Eulenaugen. »Silberginkgo? Hast du das Schiff so getauft?«
Er schüttelte den Kopf. »Nein. Das hat Jazzar-siril lange vor uns getan. Ich habe nur gespürt, dass es der einzig richtige Name für sie ist.«
Prinzessin Nishigo machte ein unglückliches Gesicht. Sie hatte wohl nicht damit gerechnet, so schnell von ihrem Ritter Abschied nehmen zu müssen. Weil sie es nicht hätte ertragen können, am Kai zu stehen und ihm mit der Zurückhaltung, die einer susanischen Prinzessin gebührte, nachzuwinken, war sie mit Twikus noch einmal in den Palastgarten gegangen. Das Paar stand unter dem uralten Ginkgobaum, den Jazzar-siril zu Beginn der Herzland-Ära seines Volkes gepflanzt hatte, und hielt einander an den Händen. Für eine kleine Ewigkeit sahen sie sich schweigend in die Augen.
»Werden wir uns Wiedersehen, Twikus von Sooderburg?«, fragte Nishigo schließlich.
»Ja«, antwortete er ohne Zögern. »Ich schwöre beim Andenken meiner Mutter: Wenn ich diese Jagd überlebe, dann kehre ich zu dir zurück.«
Wieder verging eine lange Zeit, in der sie sich nur still ansahen. Aus einem von Nishigos Karneolaugen kullerte eine Träne. Überraschend zog sie sich an ihrem Ritter auf die Zehenspitzen hoch und hauchte ihm einen Kuss auf den Mund.
Ehe Twikus wieder klar denken konnte, war die Prinzessin zwischen Büschen und Bäumen verschwunden.
Nach Ansicht von Kapitän Smidgard hätte es keine größere Ehre geben können, als Torlunds Söhnen und ihrem Gefolge eine angenehme Reise auf dem Ban zu ermöglichen. Als er jedoch von einem Herold des Mazars gebeten worden war, von seinem Schoner, dem König Gode, auf ein Sirilimschiff zu wechseln, um ebenjene Könige und ihre Gefährten um das halbe Herzland zu fahren, korrigierte er seine Ansicht. Das war ja noch viel besser! Er konnte sein Glück kaum fassen. In jungen Jahren hatte der alte Seebär schon alle Weltenmeere befahren. Begeistert willigte er in dieses größte Abenteuer seines Lebens ein.
Um die Mittagszeit waren alle Vorräte gebunkert, die Reittiere in den Stall unter Deck verladen und die Passagiere an Bord gebracht. Die Gemeinschaft des Lichts hatte Verstärkung bekommen. Von nun an gehörte auch Tiko dazu. Er trachtete nach Vergeltung für Kaguans Bluttat, durch die fast alle Männer aus dem Geschlecht der Bartarin ums Leben gekommen waren. Oramas III. hatte sich für ihn verwendet, weil er es für angemessen hielt, einen Susaner an der Rettung der Welt zu beteiligen.
All diese Gründe spielten jedoch eine untergeordnete Rolle für die Entscheidung von Ergil und Twikus, den jungen Waffenschmied mit auf die Reise zu nehmen. Hauptsächlich sahen sie in ihm den Träger und rechtmäßigen Besitzer der Ginkgonadel. Weil diese demselben Kristall entstammte, aus dem auch das Schwert Schmerz bestand, vermochten sie selbst sie nur mit erheblichem Unbehagen zu berühren. Somit war Tiko von Stund an auch ein Navigator: Er sollte die Gemeinschaft des Lichts mithilfe seiner Wundernadel zu der schwarzen Klinge führen, und zwar möglichst bevor Magos sie in seine Gewalt brachte.
Dormund hatte Kubukus Sohn schon als Neugeborenen gekannt. Außerdem konnte er aus eigener Erfahrung die Seelenpein Tikos nachvollziehen. Es sei ihm eine Herzensangelegenheit, hatte er Ergil anvertraut, den jungen Mann unter seine Fittiche zu nehmen.
»Am besten, du scherst dir den Kopf kahl und gelobst, dir die Haare so lange nicht wachsen zu lassen, bis Ergil und Twikus diesen Magos von seinem eisigen Vulkan geblasen haben«, empfahl er seinem neuen Schutzbefohlenen.
Der junge Waffenschmied wirkte unschlüssig, ob er den Rat befolgen sollte.
Während die Schauerleute noch mit dem Beladen des Schiffes beschäftigt waren, hatte sich Smidgard verlegen an Twikus gewandt.
»Verzeiht, Majestät, aber es gibt da ein Problem.«
»Bitte sagt mir nicht, dass die Silberginkgo ein Leck hat.«
»Nein, nein, seid unbesorgt. Das Schiff ist in tadellosem Zustand. Zwar haben seine Erbauer
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