Mirad 02 - Der König im König
Verbindung aufgenommen und die unerfreuliche Neuigkeit erfahren hatte. Die Bergung des schnellen Seglers war von Magos nicht unbemerkt geblieben, weil die damit einhergehende Benutzung der Alten Gabe im Faltenwurf der Welt starke Erschütterungen verursacht hatte.
In den folgenden Tagen löste sich Kaguans Anspannung ein wenig. Der Gebieter wusste inzwischen offenbar sehr genau, wo sich die Sirilimzwillinge befanden, weil sie, wenn auch nur sehr vorsichtig, immer wieder ihre Fähigkeiten gebrauchten. Sie holten zwar auf, aber sie würden den Letzten der Zoforoth nicht überraschen können.
Feuer, Luft und Erde hatte er schon gegen die Söhne der zwei Völker ins Feld geführt und jedes Mal waren sie dem Tod entronnen. Andererseits sorgte die Macht des Gebieters auch für Kaguans Rettung. Er hatte zwar eine Hand eingebüßt, aber auch mit dreien war er nach wie vor gut ausgestattet.
Bleibt noch ein Element, dachte der Zoforoth, während er in der Schwimmblase der Seeschlange durch die dunkle Tiefe glitt.
24
DAS VIERTE ELEMENT
Die Ginkgonadel zitterte heftig im Ölbad des alten Messingkompasses. Es war der neunte Tag seit dem Verlassen von Silmao. Seitdem hatte die Silberginkgo eine gewaltige Entfernung zurückgelegt. Ohne Unterbrechung war sie über heftige Wogen und ruhige See gezogen, zuerst durchs Nimmermeer, immer nach Süden, und dann stetig nach Westen durch das Meer der Unendlichkeit. Oft hatten Mannschaft und Passagiere das Gefühl gehabt, der Viermaster fliege über das Wasser, so schnell bewegte er sich voran.
Ergil erschien das Verhalten des Schiffes eher wie Übermut. Die Silberginkgo freute sich, nach so langer Zeit endlich wieder durch die Wellen zu pflügen. Während der Reise hatte ihn Múria mehrmals ermahnt, die Alte Gabe ruhen zu lassen, damit Magos und Kaguan ihn nicht entdeckten. Obwohl die beiden jetzt nicht mehr wie Lehrerin und Schüler, sondern eher wie zwei gleichberechtigte Meister über die großen Möglichkeiten und die kleinen Tricks des so vielschichtigen Sirilimsinns sprachen und Múria dabei wohl sogar einiges von den Zwillingen lernte, blieb sie in jenem bewussten Punkt die strenge Amme, die keinen Widerspruch duldete: »Tut nichts, wodurch ihr euch verraten könntet!«
Manchmal vermochte Ergil der Versuchung trotzdem nicht zu widerstehen und ließ seine unsichtbaren Fühler – sehr behutsam! – in den weißen Segler eintauchen. Er wollte so gerne dessen Wesen begreifen, aber das gelang ihm nur teilweise.
Das Schiff war noch fremdartiger als die Schlangenbäume im Meer der Zungen.
Während seiner Erkundungen nahm er manchmal Bewegungen des großen Körpers wahr, die Smidgard schon deshalb nicht bemerkte, weil er sich beharrlich weigerte »seinem Schiff« ein Bewusstsein zuzugestehen. Er hatte allerdings nichts dagegen, wenn die große Kielflosse der Silberginkgo selbst dann für einen gehörigen Vortrieb sorgte, wenn einmal Flaute herrschte. Als der Kapitän gegen Mittag des zweiten Tages zum ersten Mal das Etmal bestimmt hatte, erntete er ungläubiges Staunen. Achthundertunddreißig Meilen innerhalb von vierundzwanzig Stunden, das konnte nur ein Irrtum sein. Aber am nächsten Mittag bestätigte sich die Messung. Und so ging es weiter, Tag für Tag. Irgendwann hatte Falgon ausgesprochen, was viele hofften.
»Vielleicht holen wir den Zoforoth doch noch ein, bevor er wieder an Land geht.«
Die Ginkgonadel nährte diese Hoffnung. Sie zeigte nicht nur die Richtung zum Kristallschwert an, aus ihrem Zittern konnte man auch die Entfernung abschätzen. Anfangs hatte sie still nach Südosten gezeigt, später schon etwas zittriger nach Süden. Dann schwenkte sie abermals um und gab einen klaren Westkurs vor, wobei sie täglich aufgeregter wirkte. Und jetzt, am späten Nachmittag des neunten Tages, bebte und rotierte sie, als wolle sie jeden Moment aus ihrem Messinggehäuse springen.
»Ist sie kaputt?«, fragte Popi. Die Gefährten waren am Großdeck des Schiffes zusammengelaufen, um das seltsame Schauspiel zu verfolgen.
Über dem Kompass begegneten sich die Blicke von Dormund und Tiko. Die beiden Waffenschmiede waren im Laufe der Seereise zu Freunden geworden. Offenbar schwangen auch ihre Gedanken im Gleichtakt, denn beide schienen zu ahnen, was dieser seltsame Tanz der Nadel zu bedeuten hatte.
Der Ältere sagte: »Das schwarze Schwert muss direkt unter uns sein.«
Nach zwei Tagen mit grauem Himmel schien endlich wieder die Sonne. Die salzige Luft war klar.
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