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Mirad 02 - Der König im König

Titel: Mirad 02 - Der König im König Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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eine Menge Überraschungen für uns ausgeheckt, aber mit dem meisten sind wir schnell zurechtgekommen. Vom Hissen der Segel bis zum Klarlegen der Brassen ist alles so leicht zu handhaben, dass meine kleine Mannschaft diese große weiße Schönheit mühelos in den Griff bekommt. Bis auf eine Kleinigkeit.«
    Twikus sah den Kapitän fragend an.
    Smidgard verzog das Gesicht. »Das Schiff hat keine Ruderpinne. Ich weiß nicht, wie wir es steuern sollen.«
    Zum Erstaunen des alten Seebären zeigte sich Twikus in keiner Weise überrascht. »Mein Bruder hat schon so etwas angedeutet.«
    »Ich verstehe nicht…«
    »Habt Ihr je ein Pferd mit einer Ruderpinne gesehen, Kapitän?«
    Smidgard blinzelte verwirrt. »Wie bitte?«
    »Dieses Schiff gleicht in gewisser Weise einem Reittier. Ergil sagte, es sei ein lebendes Wesen, wobei er noch nicht herausgefunden hatte, ob es sich um ein Tier oder eine Pflanze handelt. Er vermutet aber eher Letzteres. Wahrscheinlich verstanden sich die Sirilim darauf, irgendeinen Organismus nach ihren Vorstellungen wachsen zu lassen, sodass am Ende ein Schiff dabei herauskam… Geht es Euch gut, Kapitän?«
    Der Seebär war kreidebleich geworden. »Treibt Ihr Euren Scherz mit mir, Majestät? Das könnt Ihr doch unmöglich ernst meinen.«
    »Naja, der Vergleich mit dem Pferd war vielleicht ein bisschen schräg. Aber der Rest ist doch einleuchtend, oder?«
    Smidgard stierte den König nur an, als hätte Twikus den Verstand verloren.
     
     
    Kraft der Alten Gabe war es dem Durchdringer in kurzer Zeit gelungen, das Geheimnis der fehlenden Pinne zu ergründen. Im Ruderhaus des Viermasters gab es einen silbernen Hebel, der verblüffend dem Griff des gläsernen Schwertes ähnelte. Er hatte die Form einer Blütenknospe und konnte hin und her bewegt werden. Wenn man ihn nach backbord drückte, schwenkte das Schiffsruder in dieselbe Richtung, und schob man ihn nach steuerbord, drehte es nach rechts.
    »Mein Vergleich mit dem Pferd war wohl doch nicht so schlecht«, hatte Twikus mit einem Schulterzucken erklärt. »Mit den Zügeln und der Gebissstange gibt man auch nur winzige Signale und trotzdem können sie ein mächtiges Schlachtross lenken.«
    »Aber…« Smidgard hatte es schon wieder die Sprache verschlagen.
    »Wie wäre es, wenn Ihr eine Weile, während meine Gefährten und ich uns von dem Mazar verabschieden, gemeinsam mit Eurem Steuermann die Handhabung des Hebels übt? Ihr werdet sehen, am Ende findet Ihr sogar Spaß daran und wollt gar nicht mehr an die olle Ruderpinne Eures König Gode zurück.«
    »Nichts für ungut, Majestät, aber die ist mir tausendmal lieber als dieser komische… Freudenknüppel«, widersprach der Kapitän.
    »Versucht es einfach.« Twikus klopfte ihm aufmunternd auf die Schulter und ließ ihn mit seinem Argwohn allein. Auf dem Großdeck wurde er schon von den Gefährten erwartet.
    »Können wir auslaufen?«, fragte Falgon.
    »Wenn Oramas mit seiner Abschiedsrede fertig ist, werden wir so weit sein.«
    Tatsächlich nutzte der Mazar von Susan die günstige Gelegenheit, um seine Gedanken und Empfindungen vor der versammelten Öffentlichkeit gründlich auszubreiten. Hierzu hatte er sich auf einen Hügel aus Schilden gestellt; die Ehrengäste saßen auf Teppichen und Kissen. Ein Hofschreiber protokollierte die Rede, die für jeden Interessierten in den Archiven des susanischen Palastes einsehbar ist. Daher soll an dieser Stelle eine kurze Zusammenfassung genügen.
    Oramas III. schilderte in dramatischen Worten den Zweck der geplanten Seereise. Anschließend verlieh er seiner Freude darüber Ausdruck, dass »Tiko Bartarin, ein Sohn Susans, an dem wagemutigen Unternehmen zur Rettung der Welt« teilnehme. Außerdem fühle er eine stille Genugtuung, weil durch die Entdeckung und Bergung des Flaggschiffes von König Jazzar-siril nun endlich all jene Zweifler zum Schweigen gebracht seien, die bis zuletzt eine Landung der Sirilim an der Ban-Mündung für eine Mär gehalten. Über seinen gerade erst wiedererlangten Glauben an die Wunder des Alten Volkes verlor der Mazar kein Wort. Dafür beschrieb er umso gründlicher seine Freude über die Rettung von Prinzessin Nishigo. Diese verdanke sie dem Heldenmut der Könige von Soodland und ihrer Gefährten. Zum Zeichen des Dankes wolle er den Sirilimzwillingen daher ein außergewöhnliches Geschenk machen: die Phiole mit dem Lebenselixier.
    Das Zusammentreffen der mehr als kurzen Nachtruhe mit den ausschweifenden Schilderungen des Redners hatte

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