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Mirad 02 - Der König im König

Titel: Mirad 02 - Der König im König Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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Netzling die Abschiedsworte ganz begriffen hatte, den Umhang mit einem kräftigen Ruck abriss. Rasch rollte er das wollene Kleidungsstück zusammen, damit sein Freund bis zu Popis Rückkehr nicht vor Kälte erstarrte. Anschließend befreite er den Schmerz-Kompass mithilfe seines Dolches von der Verpackung, nahm das Deckglas ab und zog die Ginkgonadel vom Haltestift.
    Er musste die Zähne zusammenbeißen, als er das kalte Ziehen in der Hand spürte, das er zuletzt in der Schatzkammer des Mazar hatte ertragen müssen. Rasch ließ er die Kristallnadel in der rechten Außentasche des Mantels verschwinden. Das Unwohlsein reduzierte sich dadurch auf ein erträgliches Maß und Ergil schalt sich einen Narren, dass er nicht wenigstens seine Handschuhe angezogen hatte, um den Kristall von der nackten Haut fern zu halten. Zuletzt nahm er wieder die Waffen seines Bruders an sich.
    Dos wäre ein guter Zeitpunkt, die Plätze zu tauschen, ver schaffte sich Twikus Gehör.
    Ergil seufzte. Also gut. Aber versuche keine Dummheiten anzustellen. Ich sitze dir im Nacken.
    Als wenn ich das nicht wüsste!
    Ein Schauer ging durch den sehnigen Körper des Königs. Dann war der Wechsel auch schon vollzogen. Twikus hob die Laterne an der Kette vom Boden auf und stahl sich davon.
     
     
    Was aus der Entfernung nur wie ein schräger Hang aus erstarrtem Lavagestein, Wald und Schnee ausgesehen hatte, entpuppte sich bei gründlicher Begehung als ein Labyrinth aus Spalten, Graten, Abgründen und sonstigen Arten von Verwerfungen, die dazu geeignet waren, ungebetene Besucher zur Umkehr zu zwingen. Trotzdem marschierte Twikus unbeirrt weiter.
    Längst hatte er die Schneegrenze hinter sich gelassen und stapfte über knirschendes harschiges Weiß. Dummerweise hatte er die Schutzbrille mit den schmalen Sehschlitzen wie auch seine Gesichtsmaske beim überstürzten Aufbruch in der Klamm liegen gelassen. Die Kälte ließ sich ja noch ertragen, aber Schneeblindheit war das Letzte, was er momentan gebrauchen konnte. Deshalb wagte er kaum die Augen zu öffnen. Wenigstens wurde das Grau des Himmels rasch heller.
    Nach einiger Zeit stieß Twikus auf eine Gletscherspalte. Ratlos ließ er seinen Blick nach beiden Seiten wandern. Der Eisbruch war viel zu breit, um einfach hinüberzuspringen. Ein Stück weiter hangaufwärts entdeckte er eine Abbruchstelle, die genügend Tritte und Haltepunkte erkennen ließ, um daran nach unten zu klettern.
    Einige halsbrecherische Momente später war er auf dem Grund des Spalts angelangt. Sein Atem ging keuchend. Er trank etwas Wasser und blickte sich unschlüssig um. In dem grün schimmernden Eis sah alles gleich aus. Musste er nach rechts gehen? Oder in die andere Richtung? Im Laufe des Abstiegs hatte er sich mehrmals hin und her wenden müssen und stellte nun besorgt fest, dass ihm dabei die Orientierung abhanden gekommen war. Linker Hand bemerkte er im Eis ein Loch, ein Halbrund mit unregelmäßigem Rand. Vermutlich eine Höhle, dachte er. Er widerstand der Verlockung, darin Schutz zu suchen, um zu tun, was er schon seit dem Aufbruch im Wald vorgehabt hatte.
    Stattdessen kauerte er sich an Ort und Stelle nieder und erhitzte Múrias Stärkungstrunk zusammen mit etwas Schnee über der Glut der Laterne. Der so verdünnte Tee schmeckte erschreckend bitter, entfaltete aber fast sofort seine Wirkung. Twikus hatte das Gefühl, die Erschöpfung sei nichts weiter als eine Flüssigkeit, die durch ein Leck aus ihm herauslief. Als er sich wieder aufrichtete, fühlte er sich wie neugeboren.
    Abermals sah er sich um. Es gab nur zwei Möglichkeiten, sich in diesem weißgrünen Einerlei zurechtzufinden: Entweder er bemühte seinen Sirilimsinn, womit er vermutlich Magos alarmieren würde, oder er benutzte Tarins Meisterstück, was lediglich unangenehm war. Twikus entschied sich für die zweite Möglichkeit.
    Entschlossen griff er zur Ginkgonadel. Diesmal schützte er sich mit den Handschuhen vor der schneidenden Kälte des schwarzen Kristalls, obgleich er mit den Fäustlingen kaum in die Manteltasche kam. Er war durchaus nicht sicher, ob funktionieren würde, was er vorhatte. Womöglich war die Nadel ohne ihr Nardenölbad nicht zu gebrauchen, doch vielleicht genügte in der unmittelbaren Nähe des Schwertes Schmerz auch eine weniger feine Lagerung, um sie ausschlagen zu lassen. Twikus setzte das kleine Halteloch am unteren Ende des Ginkgoblattes auf die Spitze seines Dolches. Und tatsächlich geschah, was er kaum zu hoffen gewagt hatte: Das

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