Mirad 02 - Der König im König
Stärkungstrunk befunden hatte.
Ergil spähte mit halb zusammengekniffenen Augen in die Richtung, wo er das von Twikus entdeckte Halbrund im Gletschereis vermutete. Im Schneegestöber war es nicht zu entdecken. Plötzlich sah er aus dem undurchdringlichen Gewirbel etwas in rasender Geschwindigkeit auf sich zukommen. Seine Hand fuhr in den Mantel, packte Zijjajims Griff…
»Lass dein Schwert stecken. Ich bin’s«, rief unvermittelt eine nur allzu vertraute Stimme. In Gestalt einer Schneeeule landete Schekira auf seiner Schulter.
Natürlich war die Wiedersehensfreude groß. Sie wurde aber ‘ schon nach kurzem Wortwechsel von Trauer überschattet. Ergil hatte der Elvin mit zittriger Stimme vom Tod seines Bruders berichtet und Schekira darauf ihm das tragische Ende Falgons geschildert.
»Also hat Magos in dieser Hinsicht nicht gelogen«, flüsterte Ergil benommen. Die furchtbaren Visionen, die er gemeinsam mit Twikus im schwarzen Eis gesehen hatte, erschienen wieder vor seinem inneren Auge.
Mit einem Mal drängte sich Popis Stimme in das von Bitterkeit durchtränkte Schweigen. »Der Sturm wird immer heftiger. Wir sollten uns schleunigst in die Höhle verkriechen.«
Der junge König starrte mit versteinerter Miene ins Schneegestöber. Falgon!, klagte er im Geiste. Der alte Waldläufer war ihm wie ein Vater gewesen. Und jetzt…
»Ergil!«, drängte der Knappe und ergriff den Arm seines Herrn.
»Wo wollt Ihr Euch verstecken?«, fragte Schekira.
Popi zeigte ihr die Richtung. »Da muss irgendwo eine Eishöhle sein.«
»Lasst mich sie erst erkunden. Bin gleich wieder bei euch«, erklärte die Elvin und flog davon.
Wie ein Schlafwandler tappte Ergil, geführt von seinem Schildknappen, durch den Schneesturm. Immer wieder rief er in Gedanken Falgons Namen. Sie waren erst wenige Schritte gegangen, als plötzlich der Boden unter ihren Füßen einbrach.
Schreiend stürzten sie fünf oder acht Fuß nach unten, prallten auf ein schräges Hindernis, wurden dabei voneinander losgerissen und rutschten alsbald mit zunehmender Geschwindigkeit durch einen Eiskanal hinab. Ergil wurde wie ein trockenes Blatt im Wind herumgewirbelt und verlor dabei jegliches Gefühl für oben und unten. Überall gab es nur dieses leicht grünlich schimmernde Grau.
Popis Gebrüll entfernte sich. Bald fehlte von dem Knappen jedes Lebenszeichen. Dafür sausten an Ergil einige dicke Eiszapfen vorüber. Wenn er nur einen von ihnen traf, würde er sich sämtliche Gräten im Leib brechen. Die Schussfahrt wollte gar kein Ende nehmen. Er rechnete damit, jeden Moment von irgendeiner scharfen Kante in zwei Hälften zerschnitten zu werden. Unversehens löste er sich vom Untergrund, flog ein stattliches Stück durch die Luft und bohrte sich sodann, Kopf voran, in einen großen Haufen Pulverschnee.
Prustend kämpfte er sich an die Oberfläche des Hügels zurück, dem er wohl die Unversehrtheit seiner Knochen zu verdanken hatte. Wo war Popi? Und wo Schekira? Während er sich umblickte, beschlich Ergil eine unheimliche Beklommenheit.
Er befand sich in einem riesigen Eisdom. Hoch über sich sah er ein graugrünes, durchscheinendes, ovales Dach, in dem sich ein ziemlich großes, unregelmäßig geformtes Loch befand. Vermutlich war irgendetwas dort auf ähnliche Weise durchgebrochen wie er und Popi weiter oben im Berg. Durch diese Öffnung musste dann der Schnee herabgefallen sein, der ihn, Ergil, abgebremst hatte. Emsig schaufelte der Sturm weitere federleichte Flocken durchs Loch, die in dem Dom einen wirbelnden Tanz aufführten.
Ergils Blick schweifte durch den gewaltigen leeren Raum, in dem der gesamte Hofstaat von Soodland ein Fest hätte feiern können. Am Rand ragten riesige Eiszapfen wie Säulen auf. Irgendwo zwischen diesen durchsichtigen Pfeilern musste er hervorgeschossen sein.
Vorsichtig richtete er sich auf und überlegte, wie er sich und Popi aus dieser misslichen Lage befreien konnte. Der naheliegendste Weg nach draußen war wohl die Öffnung hoch oben im Eisdach. Mithilfe der Alten Gabe konnte er das Terrain erkunden und einen geeigneten Landeplatz in der Nähe des Loches ausfindig machen. Zunächst musste er jedoch seine beiden Gefährten wiederfinden.
Um die Elvin sorgte er sich weniger, wohl aber um Popi. Hoffentlich hatte ihn nicht genau das Schicksal ereilt, das er während der Schussfahrt schon für sich befürchtet hatte. Um in dem schlüpfrigen Schneehaufen nicht das Gleichgewicht zu verlieren, breitete er die Arme aus und drehte
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