Mirad 02 - Der König im König
erzählte er, was im Krater geschehen war.
Jazzar-fajim schöpfte tief Atem. »Dann habt Ihr und Euer Bruder vollbracht, woran ich gescheitert bin. Ihr habt mir zwar den Namen Eures Vaters, aber nicht den Eurer Mutter und ihrer Familie genannt. Wenn Ihr mit Zijjajim gegen Magos gekämpft habt, müsst ihr ebenfalls ein Nachfahre Jazzar-sirils sein.«
»Das ist richtig. Deshalb bedarf der Name meiner Familie auch weder meiner noch meines Bruders Taten, um gerühmt zu werden. Ihr dürftet meine Mutter gut kennen, Jazzar-fajim. Es war Vania, die Tochter Baroq-abbirims.«
In dem bärtigen Gesicht erschien ein freudiges Strahlen. »Meine Großnichte! Dann sind wir ja näher verwandt, als ich vermutet habe.« Man konnte sehr schön sehen, wie alle Förmlichkeit von dem Sirilo abfiel. Er ließ das Schwert erlöschen, stapfte freudig auf den Schneehügel und schloss den jungen König in seine sehnigen Kriegerarme. Nach einer Weile sagte er mit bewegter Stimme: »Ich war ein lebender Toter, Ergil. Magos ließ mich denken, ich sei der Letzte der Sirilim. Aber du hast ein neues Licht in mein Dasein gebracht.«
»Möglicherweise kann ich dich noch auf eine andere Weise trösten.«
Jazzar-fajim löste endlich die Umarmung und sah seinen Urgroßneffen fragend an.
»Es gibt einen Menschen, der in dieser Stunde genauso wie du Trost benötigt, eine Frau, deren Schönheit ihresgleichen sucht. Ich kenne sie schon sehr lange, weil sie einst meine Amme war. Sie hat immer um dich getrauert, Jazzar-fajim. Doch in der letzten Nacht ist mein Ziehvater im Kampf gegen die Waggs gefallen und sie hat ihn mindestens so geliebt wie ich. Du weißt, von wem ich spreche?«
Der Sirilo starrte ungläubig in Ergils traurig lächelndes Gesicht. »Du… du meinst, sie ist hier?«
Der König nickte. »Die Frau, der einst dein Herz gehörte und die unser Volk die ›Süße‹ und ›Vollkommene‹ nannte: Inimai. Eine kleine Freundin hat mir erst vor kurzem gesagt, dass Múria am Rand des Kiefernwaldes auf uns wartet.«
34
DER KÖNIG DER WAGGS
Nachdem der Bann des dunklen Gottes gebrochen war, bereitete es Jazzar-fajim keine Schwierigkeiten, einen Weg aus seinem eisigen Gefängnis zu finden. Noch während der Sirilo mit seinem jungen Urgroßneffen gesprochen hatte, war die Schneeeule mit dem Schildknappen im Felsendom erschienen. Schekira entschuldigte sich, weil sie in dem Labyrinth aus Eiskanälen soviel Zeit benötigt hatte, ihre Gefährten wiederzufinden. Popi war in einen Kreisel geraten, wo es ihn bis zum Stillstand ziemlich lang herumgewirbelt hatte. Glücklicherweise war er dabei unverletzt geblieben.
Als die Gefährten oberhalb des Fichtenwaldes ans Tageslicht zurückkehrten, flaute der Sturm gerade ab. Die Elvin führte sie geradewegs in die Arme ihrer wartenden Freunde. Mit sichtlicher Neugier beäugten Dormund und Tiko den Sirilo. Die gesamte Mannschaft sowie die Prinzessin wurden darauf Zeugen einer herzzerreißenden Szene.
Für eine Weile sah es so aus, als hätten sich Múria und Jazzar-fajim in Statuen verwandelt. Sie standen sich gegenüber, blickten einander in die Augen, rührten sich aber nicht.
Ergil ahnte, was in den beiden vor sich ging. Er hatte seinem bärtigen Vetter vorsichtig zu erklären versucht, welcher Natur Inimais Liebe zu Falgon gewesen war. Jazzar-fajim hatte diese Nachricht erstaunlich gefasst aufgenommen und erklärt, wie sehr es ihn schmerze, Múria um ihr Glück beraubt zu haben. Wie hätte sie ahnen können, dass er noch unter den Lebenden weilte? Mehr noch als an diesem Bewusstsein trug Jazzar-fajim indes an der Schmach seines vermeintlichen Versagens. Er fühlte sich unwürdig, irgendwelche Ansprüche auf das Herz einer so edlen Frau zu erheben.
Múria dagegen steckte noch viel zu tief im Morast des Schmerzes, in den sie durch Falgons Verlust gesunken war. Sie konnte ja schlecht den einen Geliebten so mir nichts, dir nichts vergessen, um sich flugs dem nächsten zuzuwenden – selbst wenn dieser in ihren innigsten Gefühlen stets einen Ehrenplatz eingenommen hatte.
»Wie wäre es, wenn ihr euch zunächst als Freunde betrachtet, die sich lange nicht gesehen, aber nie vergessen haben?«, schlug der König den beiden vor, als das gegenseitige Anstarren kein Ende nehmen wollte.
Damit hatte er das Eis gebrochen. Múria und Jazzar-fajim ließen die Distanz zwischen sich zusammenschrumpfen und gaben sich einer langen Umarmung und einigen leisen, warmen Tränen hin. Als sie sich wieder
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