Mirad 02 - Der König im König
sich langsam um die eigene Achse.
Mit dieser Übung, die in erster Linie der Orientierung dienen sollte, handelte er sich einen neuerlichen Schrecken ein, denn direkt hinter sich entdeckte er im Gewirbel der Flocken ein grünes Strahlen. Aber da war noch etwas anders. Ergils Augen wurden zu schmalen Schlitzen. Was anfangs wie ein Irrlicht ausgesehen hatte, kam langsam näher. Schon bald vermochte er im Licht einen Schemen auszumachen, eine schmale Gestalt. Popi konnte es nicht sein, dazu war sie viel zu groß. Aber wer dann? Etwa Kaguan…?
Der Bewohner dieses eisigen Palastes schälte sich immer deutlicher aus dem Gestöber. Und dann brach der Flockennebel regelrecht auf. Ergil gewahrte einen schlanken Mann mit sonnenblondem Haar, das sowohl sein Gesicht umwucherte als auch in üppiger Fülle bis weit über die Schultern fiel. Abgesehen davon war der Fremde gegen die eisige Kälte schlecht gerüstet. Seine Kleidung entsprach eher dem, was man in gemäßigtem Klima tragen würde: eine grüne, seidig schimmernde, hauchzarte Tunika, eng anliegende schwarze Hosen und dazu passende weiche Stiefel. In seiner rechten Hand hielt er, aufrecht wie eine Fackel, das grün strahlende Schwert Zijjajim.
Vor dem Schneehügel blieb er schließlich stehen und betrachtete aus grasgrünen Augen schweigend den jungen König.
Ergil erwiderte den Blick entgeistert. Sein Gegenüber war ein Sirilo, da gab es überhaupt keinen Zweifel. Ja, er meinte sogar Ähnlichkeiten zwischen sich selbst und diesem Mann zu entdecken, Übereinstimmungen, die weit über so Vordergründiges wie die Haar- und Augenfarbe hinausgingen. Auf dem zeitlosen Antlitz des Fremden spiegelte sich ein Ausdruck des Wiedererkennens. Ob er ahnte, dass in den Adern des jungen Mannes auf dem Schneehaufen ebenfalls Sirilimblut floss?
Instinktiv spürte Ergil die Friedfertigkeit des Unbekannten. Er raffte sich zu einem Lächeln auf, verbeugte sich leicht und sagte: »Möge Eure Hoffnung nie sinken. Mein Name ist Ergil von Sooderburg, Torlunds Sohn. Wie ich sehe, könnt Ihr das Himmelsfeuer wecken. Seid Ihr ein Nachkomme des großen Jazzar-siril?«
Ein lebhaftes Funkeln trat in die grünen Augen des Fremden. Nachdem er die Verbeugung auf eine ebenso anmutige wie sparsame Weise erwidert hatte, antwortete er: »Möge Eure Hoffnung zur Sonne Eures Lebens werden, Ergil von Sooderburg. Was das gläserne Schwert anbelangt, würde ich eher sagen, es hat mich geweckt.«
Eine unglaubliche Ahnung stieg in Ergil auf. Ehrfürchtig fragte er: »Wie darf ich das verstehen?«
Der Sirilo lächelte auf eine bemerkenswert gequälte Weise. »Magos hatte mich mit einem Bann belegt. Eine halbe Ewigkeit stand ich hier in diesem Tempel, den er zu meiner Verhöhnung ins Eis schlagen ließ. Ich sah alles, fühlte Hunger und Kälte und konnte trotzdem weder sterben noch mich bewegen. Bis Zijjajim mir direkt vor die Füße fiel und damit den Bann brach. Ich bin der Oheim Baroq-abbirims, des Königs der Sirilim.«
Unter der schmutzigen, zerschlissenen Kleidung des Königs stellten sich sämtliche Härchen auf. Sein Herz fing heftig an zu pochen. Baroq-abbirim war sein Großvater gewesen. Aus irgendeinem Grund – vielleicht, weil er in diesen Stunden der bitteren Botschaften eine weitere Enttäuschung nicht verkraftet hätte – drückte er sich um die nahe liegende Frage und krächzte stattdessen: »Habt Ihr bei Himmelsfeuer auch ein zerborstenes schwarzes Kristallschwert gefunden?«
Der Fremde nickte. »Ich sah die beiden Bruchstücke. Aber ehe ich sie erreichen konnte, erschien ein dunkler Schemen. Er nahm sie an sich und entfloh damit, noch bevor Magos’ Bann ganz von mir abgefallen war.«
»Kaguan!«, zischte Ergil.
»Was habt Ihr gesagt?«
»Es war nur ein lauter Gedanke. Über Magos kann ich Euch nur so viel berichten: Er hat den Kitora verlassen und wird hoffentlich nie wiederkehren.« Ergil nahm allen Mut zusammen. »Wie lautet Euer Name?«
»Ich bin Jazzar-fajim.«
Ergil erschauerte. »Etwa der Jazzar-fajim, der einst auszog, um Magos zu bezwingen?«
Der Bärtige nickte traurig. »Ja, aber ich bin gescheitert. Mehr als das. Ich habe Magos’ Aufmerksamkeit auf die Länder der Menschen gelenkt. Er hat es mir selbst gesagt, um mich in meiner Verbannung zu quälen. Bilath-berdeor, den Grünen Gürtel der Sirilim, hatte er ohnehin schon so gut wie vernichtet. Seitdem hält er mich hier in seinem eisigen Kerker gefangen.«
»Jetzt seid Ihr frei«, verkündete Ergil feierlich. Danach
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