Mirad 02 - Der König im König
nicht ausschließen wollen.«
»Das klingt nach einem großen Aber.«
»Was unsere Rettung sein mag. Um Schmerz neu zu schmieden, bedarf es eines Wissens, das vor langer Zeit verschollen ist.«
»Wir sollten um jeden Preis verhindern, dass Kaguan das Schwert seinem Herrn übergeben kann.«
Múria fuhr vom Strohsack hoch. »Was geht dir durch den Kopf, Twikus?«
»Eine Reise in die Berge von Harim-zedojim, und zwar so schnell wie möglich.«
»Du bist wohl nicht bei Sinnen! Magos ist nicht Wikander. Es wird ihn nicht sonderlich beeindrucken, wenn du ihm einen Pfeil in die Rippen stößt. Keine Waffe dieser Welt kann ihn auch nur verletzen.«
»Das hat Jazzar-fajim auch nicht davon abgehalten, zum Kitora zu…« Twikus biss sich auf die Unterlippe, doch damit konnte er das Gesagte auch nicht wieder zurückholen.
Múrias Stimme wurde kühl, aber mit jedem Satz, der über ihre Lippen kam, klang sie lauter, verzweifelter und schriller. »Im Gegensatz zu dir, mein Lieber, war der Bruder deines Urgroßvaters ein äußerst besonnener Mann. Er ist nicht blindlings auf den verfluchten Vulkan gestiegen, um Magos ein Schwert in den Leib zu rammen. Schon um meinetwillen nicht. Jazzar-fajim besaß die Erfahrung vieler Menschengenerationen. Er kannte die Schwachstellen des dunklen Gottes. Trotzdem kehrte er nicht wieder zurück. Und jetzt willst du ihm folgen, Twikus? Du und dein Bruder seid wie Söhne für mich. Dieses Ungeheuer hat mir schon das halbe Herz aus der Brust gerissen. Willst du, dass es auch noch die andere Hälfte bekommt?«
Twikus starrte in das erhitzte Gesicht seiner Amme und war zu keiner Antwort fähig. Als er den bohrenden Blick ihrer blauen Augen nicht länger ertragen konnte, wandte er sich ab. Leise, aber auch hörbar trotzig, erwiderte er: »Tarin hat Magon mit Schmerz erschlagen. Ich könnte dasselbe mit Magos tun, wenn wir Kaguan einholen und ihm das Schwert abnehmen.«
Mühsam beherrscht antwortete Múria: »Nach Tarins Sieg über Magon sprach der Weltenschöpfer Worte, die kaum misszuverstehen sind: ›Zum Tode verflucht ist jeder, der Magos bezwingt.‹«
»Falgon hat mich gelehrt, dass niemand größere Liebe zu den Menschen hat als der, der sein Leben für sie opfert. Ergil und ich konnten die Wächter unter der Sooderburg erst bezwingen, als uns das klar geworden war.«
Múria streckte die Hand aus und fuhr dem König mit den Fingern durch die Haare, als wäre er immer noch der kaum zu bändigende Knirps, der einst ihrer und Falgons Obhut anvertraut gewesen war. Sie lächelte liebevoll. »Dir ist es wirklich ernst damit, habe ich Recht?«
»Völlig ernst.«
»Solltest du auf den Kitora klettern und Magos zum Zweikampf herausfordern wollen, dann werde ich alles in meiner Macht Stehende tun, um dich davon abzuhalten. Aber Kaguan das Kristallschwert abzujagen ist eine andere Sache. Nicht ungefährlich, aber wenn wir zusammenhalten, kann es uns gelingen. Verrate mir eins, mein Lieber: Warum willst du das tun?«
»Ich könnte endlich der König sein, den mein Volk braucht.«
Múria nickte, als hätte sie keine andere Antwort erwartet. »Das seid ihr zwei schon lange. Eure Untertanen haben es nur noch nicht erkannt. Hast du schon mit Ergil über deinen Plan gesprochen?«
»Er wird mich verstehen.«
Ihre Stimme wurde wieder strenger. »Diese Sache müsst ihr gemeinsam angehen, Twikus!«
»Ja, Meisterin.«
Múria wechselte einen raschen Blick mit Falgon. Dann streckte sie ihrem Schüler erneut die Hand entgegen, doch diesmal nicht, um seine Haare zu zerzausen.
»Steht auf, Majestät. Wir müssen uns beeilen, wenn wir Kaguan das schwarze Schwert entwenden wollen.«
5
DER LEUTE DER ZOFOROTH
Das rote Drachenross galoppierte geradewegs nach Osten. Der frisch gefallene Schnee stiebte unter seinen mächtigen Hufen auf. Mit einer Schulterhöhe von acht Fuß war es größer als jedes andere Pferd und mit seinem leuchtenden Fell glich Zelez einer dahinstürmenden Feuersbrunst. Sein kurz behaarter Schwanz, der jeden Löwen hätte vor Neid erblassen lassen, war meist gerade nach hinten gereckt, aber manchmal bewegte er sich auch langsam hier- und dorthin wie eine Schlange auf der Suche nach Nahrung. Wenn Zelez’ Herr an den Zügeln riss, um die Richtung zu ändern, fletschte das Ross die Zähne und bleckte ein Raubtiergebiss, das alles zerreißen konnte, was zwischen seine Kiefer geriet.
Kaguan war guter Dinge. Er hatte die Bruchstücke des dunklen Kristallschwertes aus
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