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Mirad 02 - Der König im König

Titel: Mirad 02 - Der König im König Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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zu verlassen. Es war wie ein Ritual, das sich jede Nacht wiederholte. Er schlich sich durch die Gassen, stieg über die Stadtmauer, lief zu den Klippen am Strand und sang.
    Zweimal tauchte das Seeungetüm aus dem Eis auf und lauschte dem Lied des Zoforoths mit erhobenem Haupt, so wie eine Kobra im Korb des Schlangenbeschwörers. Und ebenso verschwand es nach kurzer Zeit wieder.
    Dann wurde Kaguan verhaftet und eingesperrt. Wieder erreichte Twikus die Falte, deren weiteren Verlauf er bereits kannte. Trotzdem folgte er ihr, wie es zuvor sein Bruder getan hatte. Er musste hilflos mit ansehen, wie der Chamäleone das schwarze Schwert aus dem Rachen der Seeschlange befreite und am Rande des Waldes schließlich in einer dunklen Wolke verschwand.
    Die Enttäuschung war groß, als Twikus wieder ins Hier und Jetzt zurückkehrte. Schekira saß in ihrer Elvengestalt vor ihm auf dem Boden und blickte ihn gespannt an. Falgon und Popi standen bei der Tür und taten dasselbe. In knappen Worten fasste er das Gesehene zusammen. Zum Schluss zuckte er die Achseln.
    »Wir sind genauso schlau wie vorher.«
    »Ich sehe die Ergebnisse der letzten Reise nicht so schwarz«, erklärte Múria. »Wir wissen jetzt, dass Kaguan außer der Seeschlange keine Verbündeten hatte.«
    Falgon kratzte sich an der Wange. »Diese Farbenspiele auf seiner Schuppenhaut – wie waren die?«
    »Unheimlich«, brummte Twikus.
    »Genauso stark wie gestern, als er durchs Gefängnisfenster zum Mond hinaufblickte?«
    »Manchmal hatte ich das Gefühl, dass sie noch viel lebendiger waren.«
    Falgon und Múria tauschten einen wissenden Blick.
    »Hat das was zu bedeuten?«, fragte Popi. Er war stillschweigend in den Rat der Könige aufgenommen worden und fühlte sich dabei erkennbar unwohl.
    Múria war über eitles Besserwissertum erhaben. Anstatt mit ihrer Weisheit zu prahlen, bat sie Schekira um deren Meinung. »Die Elven haben einen reichen Schatz an Überlieferungen aus alter Zeit. Was hältst du davon, kleine Schwester?«
    »Die Zoforoth sind Magos’ Augen und Ohren. Dazu müssen sie mit ihm in Verbindung treten. Was die Könige gesehen haben, dürfte der Widerschein eines stillen Zwiegesprächs gewesen sein.«
    »Ihr meint, ein Gebet?«, flüsterte der Schildknappe. Seine Augen huschten durch die Halbschatten des Gemachs, als fürchte er, daraus jeden Moment ein Ungeheuer auftauchen zu sehen.
    »Mehr als das, Popi.«
    Twikus’ Stirn legte sich in Falten. »Ihr glaubt, dieser Kaguan hat seinem Herrn Soodland gezeigt, nicht wahr?«
    Múria nickte mit düsterer Miene. »Ja, das nehme ich an. Magos und sein Diener haben sich auf eine Weise ausgetauscht, die diesem Wort eine sehr viel umfassendere Bedeutung verleiht. Allerdings dürfte die Macht des Gottes gehemmt sein, weil das schwarze Schwert zerbrochen ist.«
    Twikus dachte mit Schaudern daran, wie die Kristallklinge seinen Oheim beschützt hatte. Die Macht der Alten Gabe war von Schmerz regelrecht weggebrannt worden. »Welche Bewandtnis hat es mit der Klinge, Meisterin? Du hast so gut wie nie über sie gesprochen.«
    »Und das aus gutem Grund. Magos’ Schwert taucht nur in wenigen mündlichen Überlieferungen auf. Es sei so düster, erzählt man sich, dass keiner je wagte seine Geschichte aufzuschreiben.«
    »Du bist die Chronistin der soodländischen Krone. Ich erteile dir hiermit den Auftrag, das Versäumte bei nächster Gelegenheit nachzuholen.«
    Múria schmunzelte. »Du klingst schon wie ein richtiger König. Vielleicht hörst du dir zunächst an, was du in die Chroniken von Mirad aufzunehmen gedenkst. Nichts davon ist bewiesen und das meiste klingt wie eine Legende. Demnach gelangte die dunkle Kristallklinge in einem sehr frühen Zeitalter nach Mirad. Sie stamme also nicht von hier, heißt es. Bar-Hazzat, der Schöpfer nicht nur der unsrigen Welt, habe das Schwert als Zeichen der Macht seinen Statthaltern, den Brüdern Magon und Magos, übergeben. In ihrer Hand wurde Schmerz zu einem Quell unsäglichen Leids für die Bewohner des Herzlandes, da sie…«
    »Aber Magon wurde besiegt«, fiel Twikus seiner Lehrerin ins Wort. Er erntete dafür einen tadelnden Blick.
    »Das ist richtig. Diese Heldentat haben wir einem Schmied zu verdanken.«
    »Tarin von Schilmao.«
    »Wenn du schon alles weißt, dann kann ich mir den Rest ja sparen.«
    »Entschuldige, Meisterin. Fahre bitte fort.«
    Múria schöpfte Atem, wartete einen Moment, als wolle sie die Haltbarkeit von Twikus’ Schweigen prüfen, und erklärte endlich:

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