Mirad 02 - Der König im König
anderen Zeit.
Je rascher, desto besser. Ich bin todmüde, jammerte Twikus.
Tatsächlich dauerte es nicht lang, bis hinter dem Tor Schritte heranklapperten. Dann war auch eine tiefe Stimme zu vernehmen.
»Ich will ein Seebulle sein, wenn das nicht mein Biberschwanz ist!«
Siehst du!, freute sich Ergil.
»Seht ihr!«, sagte Falgon.
Múria seufzte.
Das Tor wurde aufgerissen. Eine Gestalt in Holzpantoffeln und einem knöchellangen weißen Nachthemd erschien. Sie hielt eine Laterne in der Linken und einen Schmiedehammer in der Rechten. Unter der Zipfelmütze des Mannes quoll grau meliertes Haar hervor, dessen einstmals dunkle Farbe noch zu erahnen war. Der von einem kurzen, aber dichten Vollbart umwucherte Mund zog sich in die Breite.
»Siehst du, mein guter Dormund«, sagte der berühmteste lebende Waffenschmied von Mirad zu sich selbst, »auf deine Ohren kannst du dich immer noch verlassen. Ihr habt euch eine merkwürdige Zeit ausgesucht, um einem alten Freund einen Höflichkeitsbesuch abzustatten, aber was soll’s. Möge eure Hoffnung nie sinken. Tretet näher.«
»Und möge die deine zur Sonne deines Lebens werden«, erwiderte Falgon. Sein Blick wanderte zu dem Schmiedewerkzeug. »Wenn du den Klang deines Schwertes erkannt hast, wieso öffnest du uns dann mit einem Hammer? Nimmst du den neuerdings sogar mit ins Bett?«
Der Schmied zuckte die Achseln. »Vorsicht ist besser als Nachsicht. Ich konnte zwar die Stimme von Biberschwanz erkennen, aber nicht denjenigen, der es zum Singen gebracht hat. Und jetzt lasst uns nicht länger hier draußen herumstehen. Ihr habt Pelze an, doch ich bin so gut wie nackt.« Er grinste in Múrias Richtung. »Verzeiht meinen derben Ton, Herrin.«
Sie lachte leise. »Das bin ich ja von dir gewöhnt, mein Lieber.«
Wenig später saßen die Gefährten in einer gemütlichen, von einem Kamin beheizten Stube, die gleich neben Dormunds neuer Schmiede lag. Eigentlich war es die alte Werkstatt, die schon seinem Vater gehört hatte. Aber nachdem Vandergrot gestorben und Dormunds Schicksal ungeklärt war, hatte die Krone Anspruch auf den Besitz erhoben. Jetzt, nach der Rückkehr des mittlerweile als Volksheld gefeierten Schmiedes, hatten die neuen Könige ihm sein rechtmäßiges Erbe zurückgegeben.
Über das erste Wiedersehen seit einigen Wochen verlor man nicht viele Worte. Dem neuen Schildknappen der Könige von Soodland wurde zu seiner Beförderung gratuliert, dann kam die Geschichtsschreiberin auch schon zur Sache. Ruhig, so wie es Dormunds Wesensart entsprach, hörte er sich alles an, was Múria zu erzählen hatte. Einige Ergänzungen von Twikus, Schekira und Falgon rundeten den Bericht ab. Popi hielt sich im Hintergrund. Es folgte eine gedankenvolle Stille.
»Hm«, machte Dormund schließlich. Er kratzte sich am Hinterkopf, eine neue Angewohnheit, seit seine Glatze dem bleigrauen Haarschopf gewichen war.
»Du weißt etwas über die Natur des Schwertes, habe ich Recht?«, fragte Falgon.
»Eigentlich nicht.«
Fällt dir was auf, Bruderherz?, meldete sich Ergil aus dem Hintergrund.
Twikus nickte, ehe er sich dessen bewusst wurde. Er verschweigt etwas.
Frag ihn bitte, ob er jemanden kennt, der dieses Wissen besitzt.
Der Schmied musterte den König erkennbar schuldbewusst. »Was hat dein Bruder gerade gesagt?«
»Ergil meint wohl, du könntest jemanden kennen, der in die Geheimnisse der Kristallklinge eingeweiht ist. Stimmt das?«
Dormund ließ seinen Blick auf die schwieligen Hände sinken, die in seinem Schoß lagen.
»Hast du jemandem versprochen, nicht darüber zu reden, alter Freund?«, erkundigte sich Múria sanft.
Der Schmied nickte, ohne sie anzusehen. »So etwas Ähnliches. Es ist eine Frage von Ehre und Vertrauen.«
»Hier geht es um die Zukunft von ganz Mirad«, gab Twikus zu bedenken.
Endlich hob der Schmied den Blick. »Meinst du, das habe ich nicht begriffen?« Seine Stimme klang trotzig.
»Dann gibt es also jemanden, der das Schwert neu schmieden könnte?«
»Ja.«
»Warum sagst du uns nicht einfach, wo wir ihn finden?«
»Das kann ich nicht«, erwiderte der Ältere verzweifelt.
»Kannst oder willst du nicht, Dormund?«
Der Gefragte breitete die Hände aus. »Ich bin in dieser Familie wie ein Sohn aufgenommen worden und habe Künste erlernt, die sonst nur innerhalb der Sippe weitergegeben werden. Was ich über das Kristallschwert gehört habe, wurde mir nicht freiwillig anvertraut. Ich käme mir vor wie ein Verräter.« Dormund schüttelte betrübt
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