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Mirad 02 - Der König im König

Titel: Mirad 02 - Der König im König Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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schmächtige Kleine könne sich hinter einem Breitschwert bequem verstecken. Mit seinen strubbeligen blonden Haaren und den Sommersprossen sähe er aus wie ein Zehnjähriger. Popi machte sich übrigens keine Illusionen in Bezug auf die eigene Person. Er sei nur ein Hasenfuß, hatte er mehr als einmal von sich behauptet.
    Tatsächlich war er enorm schreckhaft. Wenn ein Türposten während des Dienstes einnickte und ihm der Speer aus der Hand rutschte, was hin und wieder vorkam, dann konnte Popi vom Geräusch der zu Boden fallenden Waffe so heftig zusammenfahren, dass seine dürren Gelenke die merkwürdigsten Verrenkungen ausführten. Gewöhnlich dauerte es dann ziemlich lange, bis er sich wieder in der Gewalt hatte.
    »Ja, Ihr habt Euch verändert, Majestät. Ihr seid stiller geworden«, antwortete endlich der Rekrut.
    Ergil beobachtete den klaren Tropfen, der an Popis Stupsnase hing, sich langsam löste und auf den roten Marmorboden fiel. »Stiller?« Er lachte freudlos. »Wenn es nur das wäre! Damit könnte ich leben.«
    Obwohl sich Popi in der Nähe seines Herrn am wohlsten fühlte, mied er doch dessen direkten Augenkontakt. Meist blickte er zu Boden, wenn Ergil oder Twikus ihn geradeheraus ansahen. So auch jetzt.
    »Ihr habt etwas anderes gemeint, Majestät?«, fragte er.
    »Allerdings.« Ergil breitete die Arme aus. »Ich hocke in diesem Labyrinth und fühle mich dabei sicherer als sonst wo auf der Sooderburg. Ist das nicht krank, Popi? Glaubst du, ich könnte wie mein Oheim werden?«
    Der Rekrut machte ein erschrockenes Gesicht. »Ihr meint wie… Wikander?«
    »Der Bruder meines Vaters hat schließlich den Palast zu dem gemacht, was er heute ist, zu einem großen Irrgarten, der alles fern zu halten vermag außer der Kälte.« Obwohl der Thron von großen Kohlenbecken eingerahmt war, fröstelte Ergil. Längst hatte er es aufgegeben, die Stofflagen zu zählen, in die er sich jeden Morgen hüllte, um den eisigen Temperaturen zu trotzen. Er kam sich vor wie eine Zwiebel.
    Mürrisch wickelte er sich enger in den Umhang, der die dritte Person im Saal vor neugierigen Blicken verbarg: Nisrah. Seit der Durchquerung des Tales der Fischer im Grotwallgebirge waren die Sirilimzwillinge und der Netzling unzertrennlich. Lediglich in der Nacht verzichteten sie auf seine belebende Kraft, die ihre Sinne schärfte und ihnen half, die Alte Gabe der Sirilim zu kontrollieren.
    »Ich kann gut verstehen, dass Ihr Euch einsam fühlt, Majestät«, sagte Popi.
    Ergil reckte sich. »Wer hat denn das behauptet?«
    Popi betrachtete intensiv seine Fußspitzen.
    Der König seufzte. »Irgendwie hast du ja Recht. Anstatt froh zu sein, so weise Ratgeber wie Falgon und Múria zu haben, sitze ich hier und blase Trübsal.«
    »Die Menschen in Soodland verstehen Eure Lage nicht. Außerdem machen sie sich Sorgen.«
    »Sie sollten froh sein, dass wir ihnen Wikander vom Hals geschafft haben.«
    »Das sind sie auch, Majestät. Aber davon werden sie nicht satt. Der Winter ist viel zu früh gekommen. Der Frost hat einen großen Teil der Ernte zerstört. Wenn nicht ein Wunder geschieht, wird es eine Hungersnot geben.«
    »Das Klima im Stromland ist milder und die Erträge dort waren nur wenig schlechter als gewöhnlich. Ich habe König Hilko um Kornlieferungen gebeten.«
    »Aber er hat Euch noch keine Zusage gegeben.«
    »Würde mich nicht wundern, wenn sein hintertriebener Neffe ihm das auszureden versucht. Hjalgord ist eine Natter. Vermutlich stecken sogar seine Spione hinter dem Gerücht, Twikus und ich seien unfähig, den Hungertod unserer Untertanen abzuwenden. Hältst du uns auch für unfähig, Popi?«
    Wieder wirkte der Hasenfuß erschrocken. »Ich habe erlebt, wie Ihr die schlimmste Plage beseitigt habt, die je unser Land heimsuchte, Majestät.«
    Ergil rang sich ein trauriges Lächeln ab. »Es gibt noch eine schlimmere Bedrohung, mein anhänglicher Freund.«
    Popi lief rot an. »Falle ich Euch zur Last, Majestät?«
    »Wie kommst du darauf?«
    »Ihr habt mich ›anhänglich‹ genannt. Hunde, die man nicht mehr loswird, sind anhänglich, aber…«
    »Popi«, unterbrach der König den Rekruten müde. »Ich schätze dich sehr. Aber weißt du, was mich richtig an dir stört?«
    Jetzt wurde der Gefragte kreidebleich. Er schüttelte bange den Kopf.
    »Dieses Ihr- und Euch-Gerede. Ich heiße Ergil und nicht Majestät.«
    »Aber Majestät…!«
    »Siehst du, da ist es schon wieder!«
    »Ich würde niemals wagen, Majestät, Euch wie einen

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