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Mirad 02 - Der König im König

Titel: Mirad 02 - Der König im König Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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du, würden sie da mir nachsagen? Nein, mein Lieber, es ist gut, so wie es ist.«
    »Du, Ergil und ich können spüren, dass ein Schatten auf Mirad liegt. Außerdem wird jegliches Unglück, egal ob es nun mit dieser namenlosen Bedrohung zu tun hat oder nicht, meinem Bruder und mir angelastet. Was soll an diesem Schlamassel gut sein?«
    Sie schöpfte tief Atem und schenkte ihrem Schüler ein Lächeln von der Sorte »Augen zu und durch«. Als ginge es lediglich darum, ein schwieriges Segelmanöver einzuüben, sagte sie: »Heute Abend beraten wir uns mit unseren Freunden und morgen setzen wir unsere Suche auf dem Grund des Meeres fort.«
     
     
    Der Bote fuhr vom Holzschemel hoch, als habe der ihn körperlich angegriffen. Nachdem die Kerkertür hinter ihm ins Schloss gefallen war, hatte Fingard die Ereignisse der vergangenen Stunde mehrmals vor seinem geistigen Auge ablaufen lassen. Jetzt war ihm sein Fehler plötzlich klar geworden.
    Die Parole lautete zeruja, ein altmiradischer Begriff, der in etwa so viel wie »Balsam« bedeutete. Fingard aber hatte, atemlos und mit eingefrorenem Kiefer, das Wort zerua hervorgestoßen – auf wiederholte Nachfrage des Postens insgesamt sogar viermal –, das sich am ehesten mit »aussätzig sein« übersetzen lässt. Es war müßig, darüber nachzusinnen, ob der Wachmann sich dadurch persönlich beleidigt fühlte oder ob der auf die Krankheit hindeutende Terminus für einen verschlüsselten Befehl stand, in der Art wie »Werft diesen Mann umgehend ins tiefste Loch, das ihr finden könnt«. Jedenfalls beschloss Fingard, sollte er jemals wieder aus diesem Loch herauskommen, der Herrin der Seeigelwarte einen baldigen Austausch der Parole zu empfehlen.
    Nachdem der Bote etwa eine halbe Stunde lang geschrien, sich die Hände an der Zellentür blutig geschlagen und seinen Schemel zu Kleinholz verarbeitet hatte, nahm der diensthabende Kerkermeister von der Ruhestörung Notiz und drohte dem Gefangenen mit Haftverschärfung. Obwohl Fingard nicht einer der Hellsten war, besaß er doch genug geistige Überlegenheit, um den erzürnten Wärter von seinem Vorhaben abzubringen.
    »Die Geschichtsschreiberin wird Euch reich belohnen, wenn sie erst meine Botschaft erhalten hat«, versicherte Fingard dem Wüterich. »Außerdem heißt die Parole auch nicht… so, wie ich am Tor sagte, sondern zeruja. Habt Ihr mich verstanden? Ja, ja, ja, zeruja. Sagt das einem der Wachhabenden oben. Sie werden euch bestätigen, dass die so überbrachten Nachrichten von allerhöchstem Rang sind.«
    Das von Sonnenlicht und frischer Luft nicht gerade verwöhnte Gehirn des Kerkermeisters erstrahlte in froher Erwartung. Der tumbe Mann hatte schon unter dem Knochenturm Gefangene gehütet, als Wikander noch Großkönig war. In all den Jahren war ihm wenig Anerkennung zuteil geworden. Seine wichtige Arbeit wurde für selbstverständlich genommen. Das konnte sich nun ändern.
    Der Wärter schlurfte aus der Zelle, sperrte die Tür hinter sich zu und machte sich an den Aufstieg zur Burg.
     
     
    »Entschuldigt die Störung, Majestät«, sagte Popi, nachdem er angeklopft und den Kopf durch die Tür des Ratssaals gestreckt hatte.
    Ergil stöhnte. »Was haben wir heute Morgen vereinbart?« Popis Blick wanderte zu Falgon, Múria und Schekira, die mit dem König an jener Seite der sechseckigen Tafel saßen, die dem prasselnden Kaminfeuer am nächsten lag.
    »Du brauchst nicht gleich wieder so förmlich zu sprechen, nur weil noch andere im Raum sind«, erriet der König die Gedanken seines Schildknappen. »Was gibt es denn?«
    »Vor etwa zwei Stunden ist ein Bote eingetroffen. Er hat das Wort gesagt: zeruja.«
    Múrias Rücken straffte sich. »Warum wird uns das erst jetzt gemeldet?«
    »Ihr hattet ausdrücklich verlangt, nicht gestört zu werden, Hofgeschichtsschreiberin.«
    »Wir haben vor anderthalb Stunden miteinander gesprochen, Popi. Da hättest du es mir sagen können.«
    Der Schildknappe des Königs begann zu zittern. »Ich bin nicht dran schuld…«
    Múrias Augen wurden zu schmalen Schlitzen. »Raus mit der Sprache, kleiner Mann. Was ist passiert?«
    »Das erzählt Euch der Bote am besten selbst.«
    Popis Kopf verschwand aus dem Spalt, die Tür wurde aufgestoßen und ein mittelgroßer Mann in einem langen, zotteligen Fellmantel wurde sichtbar. Sein Gesicht ließ eine gewisse Unzufriedenheit erahnen. Er umklammerte mit beiden Händen eine Pelzmütze, als wolle er sie erdrosseln. Ergil bemerkte frische Schürfspuren an den

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