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Mirage: Roman (German Edition)

Mirage: Roman (German Edition)

Titel: Mirage: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Ruff
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Rückseite trug etwas, das wie Hieroglyphen aussah, und die Legende CENTRAL BANK OF IRAQ, TWO HUNDRED AND FIFTY DINARS.
    »Kein gesetzliches Zahlungsmittel in dieser Wirklichkeit«, scherzte David Koresh. »Und nirgendwo viel wert.«
    Es war ein großes weißes Haus im Kolonialstil auf einem von einer hohen Backsteinmauer umgebenen riesigen Grundstück. Das Anwesen lag am Ende einer Sackgasse, eine halbe Meile von der Kirche von Herndon entfernt.
    Die anderen Häuser dieser Straße waren bescheidener, aber durchweg gut unterhalten, ihre Rasen und Gärten gepflegt, die Autos in den Garagen blank und neu. Ein Betrachter, der benommen an der Einbiegung stand, hätte das für das andere Amerika halten können, für das Amerika, das man nur im Traum erblickte.
    Ab und an machte sich der Krieg bemerkbar. An dem Morgen hatten die Bewohner dieser Straße die fernen Echos der Explosionen auf dem Davis Pike gehört, und die Überfälle auf die Polizei- und die Feuerwache hatten es in die Vormittagsnachrichten geschafft (bislang neununddreißig bestätigte Tote, darunter sämtliche Angreifer). Aber mit dem Nahen der Mittagszeit war die Illusion des Friedens zurückgekehrt.
    In mehreren Vorgärten zischten sanft die Rasensprenger. Eine Katze rieb sich an den Latten eines weißen Staketenzauns, während ein kleiner Junge mit Waschbärfellmütze auf seinem Dreirad den Bürgersteig entlangfuhr. Die Wache am Tor vor dem Kolonialhaus sah dem Jungen nach und unterdrückte ein Gähnen.
    Der Wind drehte. Der Junge hörte auf, in die Pedale zu treten, und ließ sich bis zum Stillstand ausrollen. Er drehte den Kopf herum und horchte. Ein Schwarm Vögel brach aus dem Wald, der sich hinter den Häusern hinzog. Dies weckte die Aufmerksamkeit des Wachmanns, der ein Funkgerät von seinem Koppel loshakte und halb an seine Lippen führte.
    Ein Augenblick verging. Noch einer. Die Vögel setzten sich wieder in ihre Bäume. Der Wachmann entspannte sich und hängte sein Funkgerät wieder ein. Nur die Katze fiel nicht darauf herein: Hocherhobenen Schweifs schoss sie davon, die Straße hoch in Richtung der Kirche, wie ein Sünder, der schon von Ferne her die Bigband des Gerichts vernimmt.
    »Das also war Ihr Durchbruch.« Sie waren wieder in Koreshs Büro, und Mustafa drehte und wendete die irakische Banknote zwischen den Fingern, halb in der Erwartung, dass sie sich wieder in Äther auflösen würde. »Sie haben entdeckt, wie Sie diese Objekte herbeizaubern konnten. Aus Ihren Träumen.«
    »Das war ein Wahnsinnskunststück«, sagte David Koresh. »Ein Wunder. Natürlich hatten wir keine Ahnung, wie das eigentlich funktionierte oder wie es sich kontrollieren ließe. Zuletzt lernten wir tatsächlich, die Träume zu steuern, ganz bestimmte Objekte aus ihnen mitzubringen, aber das kam später. In der Anfangszeit nahmen wir einfach alles,was Gott uns schenkte.« Er ging an seinen Schreibtisch und schlug die große Bibel auf. Zwischen den Seiten der Genesis lag ein Foto, das er Mustafa reichte. »Das war eines der ersten Artefakte, die wir sicherstellten.«
    Das Foto zeigte Koresh unterhalb des Jaffa-Tors zur Altstadt von Jerusalem. Dem Aussehen nach war er Mitte zwanzig – zu jung, als dass das Foto von seinem Besuch 1999 hätte stammen können. »Das ist Ihr Gespenst-Doppelgänger«, erriet Mustafa. »Der, den Sie am Heiligen Grab predigen sahen.«
    Koresh nickte. »Sobald ich das erkannte, verstand ich auch endlich, was es mit den Träumen auf sich hatte. Gott übermittelte uns keine codierten Botschaften. Er zeigte uns eine andere Welt, eine Welt, so real wie diese hier. Vielleicht noch realer.«
    »Und wie passte diese andere Welt in Ihre christliche Theologie?«
    »Tja, das war offenkundig die nächste große Aufgabe«, sagte Koresh. »Das zu verstehen und mit der Heiligen Schrift zu vereinbaren. Aber zuerst musste ich meinen Kopf aus der Schlinge ziehen.
    Bis zu dem Tag, an dem ich meinen Bericht vorlegen sollte, hatten wir siebenundzwanzig Objekte geborgen. Ich packte sie zusammen mit Videobändern von den Traumsitzungen und ein paar PowerPoint-Dias ein und wurde zum Crawford-Campus eskortiert.
    Die Präsentation lief nicht gut. Normalerweise bin ich der geborene Redner, aber an dem Tag im Büro des Wachteljägers war ich so nervös wie Moses vor seinem ersten Auftritt vor dem Pharao. Der geladene Revolver auf dem Schreibtisch mag vielleicht etwas damit zu tun gehabt haben … Außerdem sah ich ihm an, dass er mir nicht ein Wort von dem abnahm,

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