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Mirage: Roman (German Edition)

Mirage: Roman (German Edition)

Titel: Mirage: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Ruff
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Griff« bedeutenkonnte wie »Nichts, was Sie jemals sagen werden, kann mich noch elender machen, als ich mich schon fühle«.
    Das neue Schlaflabor war in einem anderen, ruhigeren Teil des Kellergeschosses untergebracht. Richtige Betten gab es noch nicht, nur Matratzen, in zwei Zehnerreihen an den Längswänden des Zimmers angeordnet. Jede schlafende Gestalt war über ein Gewirr von Elektroden und Kabeln mit einem ramponierten Elektroenzephalografen verbunden und lag jeweils unter einer Decke, aber diese schien eher symbolischen als praktischen Wert zu haben; die Körper, gerötet und fiebrig, strahlten mehr Wärme ab als zuvor die Generatoren.
    Mustafa musterte die schlafenden Gesichter. Sie gehörten unterschiedlichen Rassen an und rangierten im Alter von der Pubertät bis zu fortgeschrittenem mittleren Alter, aber sie waren alle weiblich. »Arbeitsteilung«, sagte David Koresh, als Mustafa ihn darauf ansprach. »Ich weiß nicht, ob es eine Frage der Körperchemie oder der Vorlieben des Heiligen Geistes ist, aber mit weiblichen Probanden bekommen wir konsistentere Resultate.« Er lächelte. »Sind sie nicht wunderschön?«
    Wie ein Harem im bombensicheren Bunker eines wahnsinnigen Wissenschaftlers, dachte Mustafa. »Was genau machen die?«
    »Ich werd’s Ihnen zeigen.« Koresh ging zu dem einzigen anderen wachen Insassen, einem Mann in einer Strickjacke, der in einer Scofield-Bibel blätterte. »Hey, Steve«, sagte Koresh. »Irgendjemand so weit?«
    Steve nickte in Richtung einer jungen Frau, deren rotes Haar sich auf ihrem Kissen zu einem Fächer ausgebreitet hatte. »Lilys Thetas und Gammas zeigen seit einer Weile ordentliche Spikes.«
    Koresh setzte sich auf den Rand der Matratze und hob die rechte Hand der Frau von der Decke. »Was hast du für mich, Liebling?«, sagte er mit einem übertriebenen Singsang. Er neigte den Kopf, presste die Lippen auf ihre Fingerknöchel, streckte dann die Hand aus und schob den Daumen liebkosend unter die Elektrodenkabel auf ihrer Stirn.
    Die Augen der Frau schnappten auf. Mustafa, schon durch Koreshs Zurschaustellung von Intimität verwirrt, trat einen halben Schritt zurück. Dann fing die Frau an, auf Arabisch zu sprechen, und Mustafa bekam wieder Gänsehaut an den Armen.
    »Geben Sie mir die zwei dahinten«, sagte sie mit einer tiefen, männlichen Stimme und dem Akzent eines geborenen Irakers. Eine Pause. Dann: »Nein, nein! Das dort, links! Ja … Ja, das will ich haben!«
    Eine Frau auf einer der anderen Matratzen erzeugte ein scharfes schnalzendes Geräusch. Mustafa schreckte zusammen. Dann gab eine andere Frau einen Hupton von sich, fast wie ein richtiges Auto. Das schien das allgemeine Startsignal zu sein, und schon produzierten sie alle klickende, schnalzende, raschelnde Geräusche, Flüstern und Schreie. Die einzelnen Lautäußerungen erschienen willkürlich und sinnleer, aber wie sie von den Wänden abprallten und sich miteinander vermengten, begann aus ihnen ein Lautgemälde zu entstehen, eine vertraut klingende Geräuschkulisse.
    Die rothaarige Frau sprach weiter. »Was sagt sie?«, fragte David Koresh. »Verstehen Sie das?«
    »Sie handelt«, sagte Mustafa. »Feilscht um den Preis von irgendetwas …« Dann ging ihm auf, was die Geräuschkulisse war: ein Suq. Ein Straßenmarkt, möglicherweise in Bagdad.
    Die rothaarige Frau setzte sich auf. Die Kabel strafften sich hinter ihr, und die Decke glitt auf ihren Schoß hinunter. Sie zog die Hand aus Koreshs Griff und begann, nach etwas zu greifen, das nur sie sehen konnte. Sie streckte den Arm langsam aus, wie durch einen Vorhang. Ihre Hand drehte sich, die Fläche nach oben, und ihr Daumen und Zeigefinger näherten sich einander, ergriffen nichts.
    Ergriffen etwas. Ein Flackern, ein Flackern, und dann erschien ein schlaffes violettes Rechteck zwischen ihren Fingern. Ein Kopftuch, dachte Mustafa zunächst. Aber es war dafür zu klein, und es war aus Papier. Eine Banknote.
    »Braves Mädchen«, sagte David Koresh. Er legte ihr eine Hand auf den Unterarm, und mit der anderen zupfte er den Geldschein los. Als die Frau den Kontakt zu dem Objekt verlor, schlossen sich ihre Lider flatternd, und sie sank auf die Matratze zurück. Die übrigen Frauen verstummten. Koresh hielt die Banknote in die Höhe und inspizierte sie.
    »Wenn man vom Teufel spricht …«, sagte er lachend. »Sieht so aus, als folge Ihnen jemand …«
    Er zeigte Mustafa den Geldschein. Auf der Vorderseite war Saddam Husseins Gesicht abgebildet. Die

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