Mirage: Roman (German Edition)
für Besessenheit durch Dämonen.
Wir suchten Freiwillige mit besonders schweren Fällen von Golfsyndrom. Wir führten Schlafstudien durch, testeten die Auswirkungen unterschiedlicher Reize auf ihre Träume. Wir verwendeten Gebet, Hypnose, Fasten, Drogen, sensorische Deprivation, Exorzismus, Elektroschocks. Alles nur Erdenkliche, was die Pforten der Offenbarung ein Stückchen weiter öffnen könnte.«
»Und was fanden Sie heraus?«, fragte Mustafa.
»Nichts«, sagte David Koresh. »Ich meine, der Inhalt der Träume war faszinierend, aber wir wussten nicht, wie wir die Daten, die wir gewannen, interpretieren sollten. Die Antwort war zu direkt, das war das Problem – wir erwarteten Gleichnisse. Als wir dann Gott baten, doch bitte deutlicher zu sprechen, kam nur noch mehr von derselben Sorte.
Dieses Ausbleiben von Fortschritten frustrierte mich, aber die Burschen in der Zentrale schien das nicht zu stören. Schließlich begriff ich, dass sie sich schon für die Erklärung entschieden hatten, das Golfsyndrom sei das Produkt einer Massenhysterie. Das Mount Carmel Center, die anderen Forschungseinrichtungen, das Ganze war lediglich ein bürokratisches Feigenblatt. Auf Ergebnisse kam es ihnen gar nicht mehr an.
Und irgendwann vergaßen sie uns. Die Krise ging vorüber, aber unser Programm wurde niemals eingestellt.« Er lachte. »Ich hörte auf, Berichte einzureichen, und niemand in Crawford merkte das auch nur. Inzwischen hatte ich Zugriff auf unbeaufsichtigte Firmenmittel, und Sie wissen ja, des Menschen Fleisch ist schwach …
Ich leitete personelle Veränderungen ein, schmiss jeden raus, der nicht völlig meiner Meinung war, und holte im Gegenzug weitere loyale Rekruten ins Boot. Viele, die als Probanden zum Mount Carmel gekommen waren, landeten zu guter Letzt im Mitarbeiterstab. Die ›Forschung‹ entartete mehr und mehr zu einer ausschweifenden Nabelschau. Lee Atwater war ein paar Jahre zuvor gestorben, ich hatte also seit einer ganzen Weile nicht mehr gejammt, aber eines Tages beschloss ich, eine neue Band zusammenzustellen, hausintern, ›um die Auswirkungen von Gospel-Rhythm-and-Blues auf REM-Schlaf-Alphawellenmuster zu erforschen‹. Das war jedenfalls, was ich in den Projektentwurf schrieb … Ich versenkte zweihundert Riesen an Staatsmitteln für Instrumente und ein Aufnahmestudio. Wir hatten sogar unser eigenes Label.
Und es gab noch weitere Ausschweifungen. Ich organisierte ›Informationsreisen‹ in die ganze Welt, zu jedem Ort, der auch nur eine vage Beziehung zu Schlafforschung, religiöser Prophetie oder Musik aufwies. Im Dezember 1999 flog ich mit der gesamten Belegschaft von Mount Carmel nach Jerusalem, um das neue Millennium im Heiligen Land zu feiern.
Jerusalem war merkwürdig«, sagte David Koresh. »Ich meine, wir amüsierten uns prächtig, aber vom Augenblick unserer Landung auf dem Nashashibi Airport an konnte ich das Gefühl nicht loswerden, schon einmal dort gewesen zu sein. Am Weihnachtsmorgen gingen wir in die Altstadt, um das Heilige Grab zu besuchen, und es war auch eine andere Reisegruppe da. Sie stand direkt vor der Kirche, um einen Mann geschart, der auf einem Stein stand und über die Johannesoffenbarung und die Prophezeiung der sieben Siegel predigte. Ich erkannte diesen Prediger wieder. Er war ich , vielleicht zehn oder fünfzehn Jahre jünger … Und ichsah ihn an, und er erwiderte den Blick, und dann hatte ich so einen Anfall, wie von …«
»Schwindel?«
»… Epilepsie. Ich brach um mich schlagend zusammen, stieß mir den Kopf. Und als ich wieder zu mir kam, war der Prediger verschwunden, und als ich nach ihm fragte, wusste niemand, wovon ich redete.« Er schüttelte den Kopf. »Golfsyndrom. Das war meine erste persönliche Erfahrung damit. Aber nicht meine letzte.
Nach unserer Rückkehr von dieser Reise machte ich eine besonders ausschweifend-selbstbezogene Phase durch. Ich kann es nicht besser als so beschreiben: Mir war ein flüchtiger Ausblick auf meine Zukunft gewährt worden, und mein innerer Adam begehrte dagegen auf. Schon damals behandelte ich das Mount Carmel wie mein privates Vergnügungscenter, aber jetzt fing ich an, das wirklich auszuagieren. Ich tat Dinge, dekadente Dinge, auf die ich nicht stolz bin …
Dann kam der 9.11., und das Land spielte wieder verrückt. Das brachte uns endlich wieder ins Bewusstsein der Firma zurück. Das Video von den Flugzeugen, die in die Türme einschlugen, löste eine Lawine von neuen Fällen des Syndroms aus. Austin
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