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Miramar

Titel: Miramar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nagib Machfus
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will, so ist sie mir herzlich willkommen!«
    Madame sieht mich auffordernd an, so
bitte ich: »Denk nach, Zuchra, und triff deine Wahl!«
    Aber sie bleibt hartnäckig: »Ich werde
nicht zurückkehren, und wenn die Welt untergeht!«
    Die Reise endet also mit einem
Mißerfolg. Als der Mann mit seiner Frau hinausgeht, sagt er zu Zuchra: »Du
hättest den Tod verdient!«
    Wir debattieren über das Ganze. Dann
fordert mich Zuchra auf: »Sagen Sie mir offen Ihre Meinung!«
    »Ich wünschte, daß du in dein Dorf
zurückgingest.«
    »In die Schande soll ich zurückgehen?«
    »Ich habe gesagt: ›Ich wünschte‹,
Zuchra. Mein Wunsch wäre, daß du zurückgehst und dadurch glücklich wirst.«
    »Ich liebe meinen Boden und das Dorf,
aber Elend mag ich nicht!«
    Als Madame hinausgeht, um irgend etwas
zu erledigen, nutzt sie die Gelegenheit und sagt traurig: »Sehen Sie, hier ist
die Liebe, die Möglichkeit, etwas zu lernen, hier sind Sauberkeit und
Hoffnung!«
    Ich verstehe ihre Traurigkeit. Wie sie
war ich mit meinem Vater aus dem Dorf geflohen. Wie sie hatte ich das Dorf
geliebt, aber das Leben dort als beengend empfunden. Dann bildete ich mich
weiter, wie sie es tun will. Wie sie wurde ich grundlos beschuldigt, auch mir
wurde von einigen Leuten gesagt, ich verdiene den Tod. Wie sie faszinierten
mich die Liebe, die Möglichkeit, etwas zu lernen, die Sauberkeit und die
Hoffnung.
    Ich bitte zu Gott, daß er dich
glücklicher werden läßt als mich, Zuchra.
    Der Herbst neigt sich
seinem Ende zu, aber in Alexandria macht das Wetter, was es will. Es beglückt
uns mit einem strahlenden warmen Morgen, und der Ramlah-Platz erfreut sich der
Sonnenstrahlen unter einem klarblauen Himmel. Machmud Abul-Abbas, der
Zeitungsverkäufer, lächelt mir zu, als ich vor seiner Auslage mit den bunten
Umschlägen von Zeitschriften und Büchern stehe.
    Er lächelt mir zu und sagt: »Mein sehr
verehrter Herr!« In der Annahme, er habe sich verrechnet, sehe ich ihn fragend
an, wie er da hochgewachsen und hübsch vor mir steht.
    »Mein verehrter Herr, Sie wohnen in der
Pension Miramar?« will er von mir wissen. Bejahend nicke ich mit dem Kopf. Er
fragt weiter: »Entschuldigen Sie, gibt es in dieser Pension nicht ein Mädchen
namens Zuchra?« Plötzlich interessiert, antworte ich: »Ja.«
    »Wo sind ihre Angehörigen?« *
    »Aber warum fragen Sie?«
    »Entschuldigung, ich möchte um ihre
Hand anhalten.«
    Ich denke kurz nach und sage dann:
»Ihre Angehörigen sind im Rif, und ich glaube, sie versteht sich nicht mit
ihnen. Haben Sie sie selbst schon ins Vertrauen gezogen?«
    »Sie kommt manchmal und holt Zeitungen,
aber sie ermutigt mich nicht gerade.«
    Noch am selben Abend sucht er Madame
auf und hält um Zuchras Hand an. Madame fragt Zuchra, nachdem er gegangen ist.
Aber sie weist ihn sofort und ohne nachzudenken zurück.
    Als Mariana uns — mir und Tolba — die
Geschichte erzählt, wirft ihr der Mann vor: »Sie haben sie verdorben, Madame.
Sie haben aus ihr ein adrettes Mädchen gemacht und ihr Ihre Kleider angezogen.
Jetzt hat sie hier Umgang mit hervorragenden jungen Männern und bekommt Flausen
im Kopf. Das wird ein böses Ende geben!«
    Als sie mir den Nachmittagskaffee
bringt und wir wie jeden Tag miteinander allein sind, sprechen wir über die
Angelegenheit.
    »Du hättest darüber nachdenken sollen!«
ermahne ich sie im nachhinein.
    »Aber Sie wissen doch alles!«
protestiert sie.
    »Es schadet nie, wenn man etwas bedenkt
und sich mit jemandem berät.«
    »Sie denken, ich stehe so tief, daß ich
nicht nach Höherem schauen darf!«
    tadelt sie mich.
    Ich mache eine abwehrende Handbewegung.
»Ich halte ihn ganz einfach für einen geeigneten Ehemann.«
    »Mit ihm würde ich ein Leben führen
genau wie auf dem Dorf, vor dem ich geflohen bin.«
    Mir gefällt ihr Argument nicht, aber
sie fährt fort: »Ich habe einmal gehört, wie er sich mit einem Freund
unterhielt, ohne daß er mich sah. Er sagte, daß Frauen zwar unterschiedlich
sind, aber doch in einem übereinstimmen. Jede Frau sei ein anmutiges Tier ohne
Verstand und Religion. Das einzige Mittel, sie zu zähmen, seien Fußtritte.« Sie
sieht mich herausfordernd an. »Ist es denn eine Schande, wenn ich mir ein Leben
wünsche, in dem ich geachtet werde?«
    Ich weiß nicht, was ich darauf
antworten soll. Obwohl ich mein Bedauern geäußert habe, fühle ich eine
grenzenlose Hochachtung für sie. Ich werde dich nicht mit Altweiberweisheiten
belästigen. Saad Zaghlul hörte sich zwar die

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