Miramar
insgesamt Mut machen wollen.
Die Geschichte schneidet mir ins Herz
und reißt alte Wunden auf. Schließlich hat sich um mich nie jemand wirklich
gekümmert, als ich aufgewachsen bin. So habe ich mich voll und ganz ins
Amüsement gestürzt. Damals habe ich nichts bereut, aber ich habe zu spät
begriffen, daß die Zeit gegen mich arbeitet, nicht für mich, wie ich zunächst
angenommen hatte. So hat sich also das Fellachenmädchen entschlossen, etwas zu
lernen. Madame setzt mir auseinander, was sie auf dem Dorf erlebt und was sie
nach Alexandria getrieben hat. Mir wird klar, daß sie ja gar nicht Madames
Untergebene ist.
Vielleicht ist sie sogar noch Jungfrau,
wenn nicht Sarhan einer von denen ist, die dafür sorgen, daß eine Jungfrau
nicht lange eine bleibt.
Doch ich sage boshaft zu Madame: »Ich
dachte, Zuchra ...« und mache eine entsprechende Handbewegung.
»Aber nein!« wehrt sie ab.
Ich tue plötzlich so, als wollte ich
von dem ganzen Thema nichts mehr wissen, und fordere sie auf: »Sie müssen unbedingt
an unser Projekt denken!«
Mit der Gerissenheit einer alten
Kupplerin fragt sie zurück: »Und woher soll ich das Geld dafür nehmen?«
»Was wäre eigentlich, wenn ich eine
Freundin hierher einladen wollte?«
will ich, Interesse am guten Ruf der Pension
vortäuschend, von ihr wissen.
»Die Pension ist voll besetzt«,
entgegnet sie mit bedauerndem Kopfschütteln. »Und wenn ich es einem erlaube,
kann ich es einem anderen nicht abschlagen! Aber ich könnte Ihnen einen Hinweis
auf ein Plätzchen geben, wenn Sie wollen ... «
Als ich Zuchra zufällig im Salon
treffe, beglückwünsche ich sie zu ihrem Entschluß und empfehle ihr lachend:
»Streng dich an! Wenn aus meinem Projekt etwas wird, brauche ich eine gute
Sekretärin!«
Sie lächelt so glücklich, daß sie noch
hübscher wirkt als sonst. Tatsache ist, daß ich immer noch scharf auf sie bin,
obwohl mir von vornherein klar ist, daß ich sie nach einer Woche satt habe.
Aber diese eine Woche, die muß sein!
Das Auto durchstreift
Straßen und Stadtviertel. Die Luft ist so rein, ruhig und ausgeglichen, daß es
meine Nerven aufpeitscht. Um meinen Geschwindigkeitswahn voll entfalten und
ohne jedes Hindernis auskosten zu können, lenke ich zur Wüstenstraße und gehe
dort auf 120 Stundenkilometer. Dann rase ich mit derselben Geschwindigkeit
zurück. Das Mittagessen nehme ich im Pampam ein. Ich gable ein Mädchen auf, das
gerade aus einem Frisiersalon kommt. Am Nachmittag fahre ich in die Pension
zurück. Im Entrée sehe ich Zuchra neben einem jungen Mädchen sitzen und
begreife auf der Stelle, daß es nur die Lehrerin sein kann. Ich setze mich zu
Madame und schaue zur Lehrerin hinüber. Nicht übel! Sie hat zwar einen leichten
Buckel, kaum wahrnehmbar, aber auch ein ganz hübsches, ja aufregendes
Stupsnäschen.
Schade, daß ein Mädchen wie sie nicht
für eine schnelle Nacht zu haben ist!
Für solche Mädchen muß es schon eine
feste und längere Beziehung sein.
Vielleicht wäre sie nicht einmal damit
zufrieden, sondern hält nach einer echten Ehe Ausschau, als hätte sie von der
Forderung der Revolution nach Familienplanung noch nie etwas gehört.
Madame macht uns miteinander bekannt.
Wie es ihre Gewohnheit ist, stellt sie mich vollständig vor, das heißt samt den
hundert Feddan und dem Projekt. Ich freue mich darüber und lobe ihre
Gewandtheit, das Resultat vieljähriger Erfahrungen. Bei meinen Rundfahrten
konzentriere ich mich jetzt auf das Muharram-Bey-Viertel, wo ihre Schule liegt.
Einmal habe ich sogar Erfolg. Ich sehe sie am frühen Nachmittag an der
Bushaltestelle stehen. Ich stoppe und lade sie ein, mit mir zu fahren. Sie
zögert zunächst, aber die Tatsache, daß sich der Himmel zunehmend bezieht,
bringt sie schließlich dazu, meine Einladung anzunehmen. Ich fahre sie zu
unserem Haus und klage ihr dabei, wie einsam ich in Alexandria bin, wie sehr
ich einen Rat und eine Meinung zu meinem Projekt brauche, und sage schließlich,
als sie sich von mir verabschiedet: »Ich glaube, ich muß Sie unbedingt
wiedersehen!«
»Aber bitte, besuchen Sie uns doch!«
ermutigt sie mich herzlich.
Tatsache ist, Sunnyboy, daß dein Alter
und dein Geld dich mit zwingender Logik zu einer guten Partie machen. Deswegen
sollte ich besser gar keine Lehrerin, Ärztin, Rundfunksprecherin oder Beamtin
nach Hause begleiten. Wenn ich meinen Aktionsradius erweitern will, muß ich
unbedingt meine Umgebung mit einem Ring hinters Licht führen, mit einer Ehe,
die ich gar
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