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Miramar

Titel: Miramar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nagib Machfus
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Lieber, wir leben schließlich in
einem Dschungel, in dem die Bestien miteinander um unsere Wänste kämpfen ...«
    Ich bin insgeheim erleichtert. Er fährt
fort: »Auch in jeder Uniform steckt einer, der verrückt ist nach Wohlstand und
Luxus.«
    Voller Zustimmung und im Vertrauen
darauf, daß wir ganz unter uns sind, werfe ich ein: »Aber gibt es nicht auch
Reformen, die man durchaus gutheißen kann?«
    Er läßt seine Pausbäckchen tanzen und
sagt: »Mit denen will man doch nur Leute ansprechen, die nicht den Verstand
haben, die Dinge zu begreifen.
    Und die unterstehen — wie wir beide —
der Gnade und Barmherzigkeit der Uniformen.«
    Als es mir einfällt, in die Pension
zurückzukehren, treffe ich draußen auf Sarhan und nehme ihn im Auto mit. Es ist
fast so, als müßte man zu diesem verdammten Kerl auch noch immer freundlich
sein. Obwohl ich ihn verachte, lasse ich ihn ungeschoren. Vielleicht ist er mir
irgendwann nützlich.
    Ich stoße ihn mit dem Ellbogen an und
lache: »Haben Sie ein Glück, alter Junge!« Da er mich mit freundlicher Neugier
ansieht, fahre ich fort: »Zuchra!«
    Er hebt die starken Augenbrauen, senkt
dann aber kapitulierend den Blick.
    Ich schlage vor: »Sie sind sicher ein
edelmütiger Fellache und werden sich mir gegenüber nicht geizig zeigen ... «
    »Ich verstehe wirklich nicht, worauf
Sie hinauswollen!« entgegnet er ärgerlich.
    Spöttisch lächelnd sage ich: »Ich werde
offen mit Ihnen reden, wie es sich für Freunde gehört. Bezahlen Sie sie dafür,
oder geben Sie das Geld Madame?«
    »Die Sache ist nicht so, wie Sie
denken«, gibt er abweisend zurück.
    »Und wie soll ich sie mir dann denken?«
    »Sie ist ein anständiges
Fellachenmädchen, nicht ..., glauben Sie mir!«
    »Von mir aus! Das sieht ja fast so aus,
als hätte ich ein Privatauto angehalten in der Annahme, es sei ein Taxi.«
    Keine Zeit für Lappalien, Sunnyboy!
Mein Fehler war, daß ich eine Weile lang einem Feind vertraute, weil ich ihn
für einen Freund hielt. Aber ich bin glücklich über meine Freiheit. Meine
Klasse hat mich ins Wasser gestoßen, als das Schiff bereits sank, aber ich bin
glücklich über meine Freiheit. Ich bin frei wie ein Vogel. Das ist das wahre
Glück, wenn man an nichts und niemanden mehr gebunden ist, an keine Klasse, an
kein Vaterland, an keine Pflicht. Von meiner Religion weiß ich nur noch so
viel, daß Gott verzeiht und barmherzig ist.
    Vergiß es, Sunnyboy, vergiß es!
    Draußen herrscht ein
Lärm, der für die Pension ganz und gar ungewöhnlich ist.
    Ich bin nach meinem
Nachmittagsschläfchen auf der Stelle hellwach und gehe in den Salon. Im Entrée
ist ganz offensichtlich eine Prügelei im Gange.
    Ich schaue durch einen Spalt im
Wandschirm, und mir bietet sich ein wahrhaft amüsanter Anblick: Eine unbekannte
Frau hält unseren Freund al-Buheri am Kragen und prügelt und schimpft auf ihn
ein. Zuchra steht daneben, das reinste Nervenbündel, stößt aufgeregt
irgendwelche Worte hervor und versucht, die beiden voneinander zu trennen. Da
stürzt sich die Frau plötzlich auf Zuchra. Doch die stellt unter Beweis, daß
sie sich auf Prügeleien hervorragend versteht. Sie versetzt ihr zwei
Faustschläge, treibt sie mit jedem ein Stück zurück, bis sie sie schließlich an
die Wand gedrängt hat.
    Sie ist schön, aber sie hat eine
eiserne Faust wie ein Landpolizist. Ich bleibe in meinem Versteck, um von
dieser exklusiven Show ja nichts zu verpassen.
    Aber als ich eine Tür quietschen höre,
trete ich vor, packe die unbekannte Frau am Handgelenk und ziehe sie hinaus,
mit nichts weiter bekleidet als dem Morgenmantel über dem Pyjama. Ich stoße sie
sanft vor mir her, bekunde ihr mein äußerstes Bedauern und biete ihr meine
Dienste an. Sie kocht vor Wut, schimpft und flucht. Es sieht nicht so aus, als
ob sie mich überhaupt bemerkt.
    Sie ist gar nicht so übel. Auf dem
zweiten Treppenabsatz kann ich sie dazu bringen, stehen zu bleiben, und sage
ihr: »Warten Sie einen Moment! Sie müssen sich erst wieder herrichten, bevor
Sie auf die Straße hinausgehen!«
    Sie ordnet ihr Haar und klammert den
zerrissenen Kragen ihres Kleides mit einer Haarnadel zu. Dann reiche ich ihr
ein parfümiertes Taschentuch, damit sie sich das Gesicht abwischen kann.
    »Mein Wagen steht vor dem Haus. Ich
werde Sie nach Hause bringen, wenn Sie gestatten.«
    Zum ersten Mal schaut sie mich an,
dankt mir schnell. Dann gehen wir gemeinsam hinunter. Sie setzt sich neben mich
ins Auto, und ich frage sie, wohin ich sie bringen

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