Miramar
ich
Ihnen vielleicht irgendwie helfen? Sagen Sie es offen! Ihr Bruder hat das immer
getan, und er war ein kluger Mann.
Außerdem war er groß und stark, ein
richtiger Riese. Sie sind zart und so ebenmäßig gebaut, aber auch Sie sind
stark. Betrachten Sie die Pension Miramar als Ihr Haus und mich als Ihre
mütterliche Freundin, als Ihre Freundin im vollsten Sinne des Wortes!«
Natürlich war sie nicht wegen dieser
Höflichkeitsfloskeln und Schmeicheleien gekommen, oder vielmehr, sie waren für
sie nur Mittel zum Zweck. Sie war zu mir gekommen, um in einem Gespräch
Anerkennung und Selbstbestätigung zu finden. So erzählte sie mir aus freien
Stücken die Geschichte ihres Lebens. Erzählte, wie sorglos und verwöhnt sie
aufgewachsen war, erzählte von ihrer ersten Liebe und Ehe mit einem britischen
Captain, ihrer zweiten Ehe mit dem Kaviar-König vom Ibrahimijja-Palais. Dann von
der Zeit des sozialen Abstiegs, aber wieso eigentlich sozialer Abstieg? Schließlich
war dies in den Tagen des Zweiten Weltkriegs eine Pension für feine Herren, für
Paschas und Beys gewesen.
Sie forderte mich auf, ich solle ihr
ebenfalls die Geheimnisse meines Lebens anvertrauen, und überhäufte mich mit
Fragen. Eine fremde Frau, unterhaltsam, anstrengend, eine verblühende Frau. Ich
hatte sie nie als die Königin der Salons erlebt, die sie gewesen war, aber ich
konnte sie mir in dieser Rolle vorstellen, sah sie in der Gesellschaft
strahlender Schönheiten und harter Tyrannen. Leider lernte ich sie jetzt erst
kennen, lernte sie kennen als ein Wrack, das sich verzweifelt bemühte, an der
Oberfläche zu bleiben.
Am Frühstückstisch machte ich die
Bekanntschaft der übrigen Gäste. Es war eine sonderbare Familie, deren
Mitglieder sich gegenseitig abstießen.
Aber ich brauchte Unterhaltung. So
überwand ich den Drang, mich in mein Zimmer zurückzuziehen. Vielleicht würde
ich ja auf einen späteren Freund, einen künftigen Gefährten treffen? Warum
eigentlich nicht? Amir Wagdi und Tolba Marzuq konnte ich allerdings getrost
übergehen, die gehörten zu einer Generation, die abgetreten war. Aber was war
mit Sarhan al-Buheri und Husni Allam? Sarhans Augen strahlten natürliche
Anziehungskraft aus, und er war, wie mir schien, freundlich trotz seiner
unangenehmen Stimme.
Doch was mochte er für Interessen
haben? Und der andere? Husni Allam?
Der ging mir auf die Nerven, jedenfalls
im ersten Moment. Sein Schweigen und seine Zurückhaltung wirkten arrogant. Sein
kräftiger Körperbau, sein hocherhobener, großer Kopf und die Art, wie ein
Herrscher von Gottes Gnaden auf seinem Stuhl zu thronen, ärgerten mich. Ja, ein
Herrscher, aber ohne Reich und ohne allen Besitz. Vielleicht ließ er sich auch
erst herbei, sich mit jemandem zu unterhalten, wenn er festgestellt hatte, daß
der andere noch unbedeutender war als er selbst. Zum Trost sagte ich mir: Wer
seine Mönchszelle verläßt, muß sich darauf einstellen, mit gemeinen Kerlen
zusammenzuleben. Wie gewöhnlich überkam mich der Wunsch, mich von den Fremden
auf mich selbst zurückzuziehen. Aber was sie dann sagen, was sie denken würden?
Früher einmal hatte ich auf diese Weise
die Chance meines Lebens verpaßt.
Ich war erstaunt, als ich
Sarhan al-Buheri in mein Büro im Rundfunkgebäude kommen sah. Er strahlte, als
wären wir alte Freunde. Dann schüttelte er mir herzlich die Hand und erklärte:
»Ich bin hier ganz zufällig vorbeigegangen, und da habe ich mir gesagt, ich
will doch einmal guten Tag sagen und ein Täßchen Kaffee mit ihm trinken.«
Ich hieß ihn willkommen und ließ Kaffee
bringen. Er sagte: »Eines Tages werde ich Sie in Anspruch nehmen, um mich in
die Geheimnisse des Rundfunks einweihen zu lassen.«
Mit tausend Freuden, Mann, der du mit
anderen Männern auf altehrwürdigen Bänken vor dörflichen Häusern geplaudert
hast, was mir nie vergönnt gewesen ist!
Kurz, er berichtete mir von seiner
Arbeit in der Spinnerei-Gesellschaft von Alexandria, seiner Mitgliedschaft im
Verwaltungsrat und in der Grundeinheit der Arabischen Sozialistischen Union.
»Was für lobenswerte Aktivitäten«,
schmeichelte ich ihm, »durchaus ein Vorbild für alle Indifferenten!«
Er blickte mich prüfend an. »Das ist
eben unsere Art, sich am Aufbau einer neuen Welt zu beteiligen.«
»Haben Sie eigentlich schon vor der
Revolution an den Sozialismus geglaubt?«
»Tatsache ist, daß mein Glaube an ihn
mit ihr erwuchs.«
Es hätte mich gereizt, mit ihm über
seinen Glauben zu debattieren, aber ich
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