Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Miramar

Titel: Miramar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nagib Machfus
Vom Netzwerk:
Mittelweg, zum Beispiel die islamische Ehe, wie sie
ursprünglich war.«
    In ihre Augen tritt ein Fragen an die
Stelle des Zorns. Ich sage, und weiß darüber im Grunde nicht mehr, als was mir
dunkel in Erinnerung geblieben ist: »Ich gebe bekannt, daß ich dich nach dem
Brauch Gottes und seines Propheten zur Frau nehme.«
    »Ohne Trauzeugen?«
    »Nur vor Gott allein!«
    Sie protestiert verächtlich: »Alle um
uns herum handeln, als ob es Gott gar nicht gäbe!« Dann schüttelt sie heftig
den Kopf und sagt: »Nein!«
    Sie ist ungeheuer starrköpfig,
nicht so weich und leicht zu nehmen, wie ich angenommen hatte. Ich bin bereit,
wenn sie damit einverstanden ist, für immer mit ihr zusammenzuleben und auf
eine Ehe und die Hoffnungen, die ich an sie knüpfe, zu verzichten. Ich habe
schon daran gedacht, die Pension zu verlassen als ersten Schritt dazu, sie zu
vergessen. Aber die Liebe zu ihr ist hartnäckig — wie sie selber — und klammert
sich an mein Herz. Doch es hat kein Zerwürfnis zwischen uns gegeben. Sie hat
mir die ganze Zeit zum gewohnten Termin den Tee gebracht und keinen Widerstand
geleistet, wenn ich sie umarmt und geküßt habe. Ich war verblüfft, als ich sie
— im Entrée — über ein Lesebuch für Schüler der ersten Klasse gebeugt sitzen
sah. Un-gläubig blieben meine Blicke an ihr hängen. Madame saß unter dem
Jungfrauenbild, und Amir Wagdi hatte es sich im Sessel bequem gemacht.
    Madame sagte lächelnd zu mir: »Da sehen
Sie unsere Schülerin, Monsieur Sarhan!« Sie warf ihr einen ermutigenden Blick
zu und erklärte mir: »Sie hat sich darauf mit unserer Nachbarin, der Lehrerin,
geeinigt. Was meinen Sie dazu?«
    Das ist wirklich ein Ereignis! Einen
Augenblick lang war mir zum Lachen zumute, aber ich beherrschte mich und betonte
eifrig: »Bravo, Zuchra, bravo!«
    Der alte Mann schaute mich mit seinen
verhangenen Augen an, und mich packte eine unerklärliche Furcht vor ihm. Ich
verließ die Pension. Tatsächlich war ich tief berührt. Eine innere Stimme sagte
mir, daß Gott es mir nie verzeihen würde, wenn ich die Liebe dieses Mädchens
gering achtete. Aber ich konnte mich mit dem Gedanken an diese schreckliche Ehe
nicht befreunden. Liebe ist ein Gefühl, dem man auf verschiedenste Weise beikommen
kann. Die Ehe dagegen ist eine Institution, eine Gesellschaft wie die, in der
ich als Prokurist beschäftigt bin. Sie braucht gewisse Voraussetzungen, hat
ihre eigenen Gesetze und Praktiken. Wenn sie mir nicht durch die Einbindung in
gute soziale Verhältnisse zu einem gewissen sozialen Aufstieg verhilft, was hat
sie dann für einen Sinn? Wenn die Braut nicht wenigstens Beamtin ist, wie kann
ich in diesen schwierigen, grausamen Tagen eine eigene Familie gründen, die
diesen Namen verdient? Die Ursache meines Unglücks ist, daß ich ein Mädchen
liebe, das die Bedingungen für eine solche Ehe nicht erfüllt. Wenn sie meine
Liebe bedingungslos akzeptierte, so würde ich ihretwegen den Gedanken an eine
Ehe opfern, wie sie mir seit dem Jünglingsalter vorschwebt.
    »Du hast große Pläne, Zuchra!« Bei
diesen Worten schaue ich sie voll Bewunderung an und sage dann bedauernd: »Aber
du mutest dir sehr viel zu und vergeudest damit deinen Lohn!«
    Sie steht vor mir, zwischen uns ist der
Tisch, und sagt stolz: »Ich will nicht für immer unwissend bleiben!«
    »Und was wird dir das Wissen nutzen?«
    »Danach werde ich einen Beruf lernen.
Ich will nicht für immer ein Hausmädchen bleiben!«
    Ich verspüre ein schmerzhaftes Stechen
in der Herzgegend, und mir schnürt sich die Kehle zusammen. Sie aber schlägt
einen neuen Ton an:
    »Meine Verwandten waren heute da, um
mich zu überreden, zu ihnen aufs Dorf zurückzukehren.«
    Ich schaue sie fragend an und lächle,
um meine Unruhe zu verbergen. Sie aber tut so, als sehe sie mich gar nicht,
hält den Blick gesenkt.
    »Und was hast du ihnen gesagt?«
    »Wir sind dahin übereingekommen, daß
ich Anfang des nächsten Monats zurückkehre.«
    »Tatsächlich«, stoße ich beklommen
hervor, »du gehst also zu dem alten Mann zurück!«
    »Nein, er hat inzwischen geheiratet!«
Mit leiser Stimme fährt sie fort: »Ein anderer Mann hat um mich angehalten. «
    Ich greife heftig nach ihrer Hand und
bitte: »Laß uns doch zusammen weggehen! Morgen, wenn du willst!«
    »Wir haben uns, wie gesagt, darauf
geeinigt, daß ich Anfang des Monats zurückkehre!«
    »Zuchra, hast du denn ein Herz aus
Stein?«
    »Es ist eine Lösung ohne Schwierigkeiten!«
    »Aber du liebst mich doch,

Weitere Kostenlose Bücher