Miramar
bekannt werden«, entgegnet sie, immer noch voller Zweifel.
Mit unüberlegter Offenheit sage ich:
»Manchmal kommt es mir so vor, als warte sie nur auf einen geeigneten Moment
...«
Sie lächelt matt: »Vielleicht hat sie
Gründe dafür. ..«
»Alle Gäste treiben gelegentlich ihre
Späßchen mit ihr, und ich mache es nicht anders. Das ist alles!«
Ihre Beziehung zu mir ist jedenfalls zu
Liebe geworden. Mir ist weniger wichtig, daß sie mir wirklich glaubt, als daß
sie Zuchra nichts sagt. So hat also der Verstand über das Herz gesiegt, und ich
muß jetzt unbedingt die Verlobung bekanntgeben! Trotzdem zögere ich. Ich
verschiebe den ausgemachten Termin unter dem Vorwand, ich müsse zunächst aufs
Dorf fahren, damit meine Familie die traditionelle Rolle spielen könne. Mit
jedem Tag werden meine Gefühle gegenüber Zuchra gespannter, nagt mein
peinlicher Betrug stärker an meinem Herzen. Ich seufze voller Wehmut und sage
bei mir: Wenn sie doch nachgäbe, wenn sie sich meinen Wünschen fügte, mein Herz
gehörte ihr für immer!
Ist das Donner? Ein
Erdbeben? Ist ein Leichnam ins Zimmer gefallen? Ich stecke meinen Kopf unter
der Decke hervor und sehe um mich herum stockdunkle Nacht. Ich bin es nur,
niemand anderer! Und das ist mein Bett in der Pension Miramar! Aber was ist
das? Mein Gott! Das ist doch Zuchras Stimme! Sie klopft an meine Tür!
Ich eile hinaus. Im Licht der
Nachtlampe sehe ich, wie sie sich in heftiger Abwehr aus der Umklammerung von
Husni Allam freizumachen sucht. Mir wird auf den ersten Blick klar, was los
ist. Ich will sie befreien, ohne daß es Aufsehen erregt und ohne daß meine
Beziehungen zu Husni getrübt werden. Sanft lege ich meine Hand auf seine
Schulter und flüstere: »Husni!«
Aber er hört mich nicht. So packe ich
ihn fester an der Schulter und sage lauter: »Husni, sind Sie verrückt
geworden?!«
Er versetzt mir mit seinem Rücken einen
brutalen Stoß, ich jedoch greife ihn noch kräftiger an der Schulter und fordere
ihn entschieden auf: »Gehen Sie sofort ins Bad, und stecken Sie den Finger in
den Mund!«
Da dreht er sich zu mir um und schlägt
mich gegen die Stirn. In einem jähen Wutanfall schlage ich zurück. Wir prügeln
uns heftig, bis Madame zu uns tritt. Sie behandelt den Übeltäter mit einer
Sanftheit, die er nicht verdient. Ich verstehe die Alte gut. Aus meinen eigenen
Interessen heraus verstehe ich sie gut. Beide sind wir darauf erpicht, uns mit
Husni gut zu stellen, in der Hoffnung, aus seinem Phantasieprojekt Nutzen zu
ziehen. Sie zögert, stellt ein Bein vor und das andere zurück. Ich dagegen bin
die ganze Zeit sprungbereit. So wird mir jetzt die Tür endgültig vor der Nase
zugeschlagen. Sie aber behandelt das Opfer mit Strenge zugunsten des Täters.
Einige Tage später sehe ich Husni Allam
um ein Uhr nachts in Begleitung von Safejja Barakat aus dem Genevoise kommen.
Mein Erstaunen hält nur kurze Zeit an, dann erinnere ich mich, wie er sie damals
aus der Pension geführt hat. Sie sind sich gleich im Hinblick auf ihren
Leichtsinn und ihre Träume von utopischen Projekten. Liebe und Träume werden
sie miteinander verbinden. Ich habe jene Nacht mit Ali Bakir und Rafat Amin in
George's Bar verbracht. Wir waren die Corniche entlangspaziert, angeregt von
der lauen, reinen Luft der Nacht und vom Wein, den wir getrunken hatten. Rafat
Amin kennt, besonders wenn er betrunken ist, kein anderes Gesprächsthema als
die Wafd-Partei. Mir wurde klar, daß Ali Bakir keinen Unterschied zwischen der
Wafd-Partei und dem Nationalen Sportclub zu kennen scheint. Andererseits
interessiert mich Politik nicht eigentlich, trotz meiner zahlreichen
politischen Aktivitäten. Rafat Amin erzählt weinselig vom Wafd und der Zeit, da
er die Macht im Lande hatte. »Wirst du dir eigentlich nie eingestehen, wenn
jemand oder etwas tot ist?« spotte ich.
Seine Stimme hallt in der leeren Straße
wider: »Sag von mir aus von der Revolution, was du willst. Ich will ja ihre
allumfassende Macht gar nicht bestreiten. Aber das Volk ist tot, seit der Wafd
tot ist.«
In diesem Augenblick sehe ich Husni
Allam und Safejja Barakat wie zwei kräftige Bären auf die Corniche tapsen. Ich
zeige auf sie und sage lachend:
»Da hast du das Volk des Wafd, das in
nachmitternächtlicher Stunde seinen Kampf fortsetzt!«
Als wir uns trennen müssen, flüstert
mir Ali Bakir ins Ohr: »Wir werden bald das Startzeichen geben können!«
Ich komme in die Pension,
als alle schlafen. Durch die Glastür des Zimmers von Mansur
Weitere Kostenlose Bücher