Miras Welt (Mira und Melissa) (German Edition)
Freund, ist tatsächlich Meeresbiologe geworden. Er kurvt seit damals mit Forschungsschiffen durch die Karibik und andere Meere. Unsere Liebe hat die Fernbeziehung nicht überstanden. Wir entwickelten uns voneinander fort. Valerius ist jetzt mit einer Biologin verheiratet, sie leisten engagiert ihren Beitrag zum Schutz der Meere und arbeiten gelegentlich auch für Greenpeace. Einmal im Jahr schreibt er mir eine Postkarte. Es geht ihm gut.
Heute Morgen habe ich für mich und meine Familie die Tarotkarten gelegt. Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft. Ich zog die Hohepriesterin, die Neun der Münzen und den Stern.
Wie wäre es, wenn Sie selbst die Bedeutung der Karten erforschen würden? Sind Sie neugierig geworden? Ich weiß, was die Karten bedeuten…
ENDE
Auszug aus dem Testament von Mira Mertens
(…) hinterlasse ich meiner Herzenstochter Melissa Fink alle Rechte an meinen Kurzgeschichten, Gleichnissen, Gedichten und dem Manuskript „Lebenslicht“, mit Ausnahme des Buches „Über die Trauer“. Die Einnahmen aus dem Verkauf dieses Büchleins (herausgegeben im Abendlicht-Verlag) gehen nach wie vor an das hiesige Hospiz.
Außerdem vererbe ich Frau Fink mein kleines Backbuch, meine Kräuterrezepte und alle getrockneten Kräuter, Gemüse, Pilze und Pflanzen, die sich nach meinem Ableben noch auf dem Dachboden befinden. Die Plumpuddingform aus Porzellan, die noch von meiner Großmutter stammt, geht auch an sie. Ebenso der Steindrache und meine Tarotkarten und alle Bücher, die sie selber auswählt.
Die Engelstatue aus Holz verbleibt innerhalb der Familie, geht also an meinen geliebten Sohn Markus, verbunden mit der Pflicht, die Statue einmal im Jahr an den noch aktiven Arbeitskreis „Engel“ für das Engel-Fest auszuleihen.
Meine Steinsammlung soll an Markus und Melissa gehen, wobei mein Sohn das Erstwahlrecht hat.
Über alle anderen Besitztümer soll mein Sohn nach eigenem Ermessen und Belieben verfügen.
Dieses verfüge ich im Vollbesitz meiner geistigen Kräfte.
Mira Mertens, am 22. Juli, in Strümpfelbach
Als Zeuge unterzeichnet: Hausarzt Dr. med. Wülfing, selber Tag, selber Ort
Aus Miras Nachlass
Das Gleichnis zum Buch „Lebenslicht“:
Die Geschichte vom Eichhörnchen, das anders war
Es war einmal ein Eichhörnchen, das hatte einen kerzengeraden, starren Schwanz. Dieser Schwanz war buschig und das Fell war rotbraun, aber – er war stocksteif. Seit der Geburt war das so. Mama und Papa Eichhorn waren sehr erschrocken und traurig. Ein solches Eichhornbaby hatte es noch nie in der Familie gegeben! Oma Eichhorn war auch sehr traurig und auch der Bruder dieses Babys.
Mama und Papa Eichhorn brachten ihr Kind gleich am 2. Lebenstag zu Doktor Eule. Dieser Doktor Eule war schon sehr alt und weise. Er würde sicher helfen können, dachten die Eichhorneltern. Als er das Baby mit dem kerzengeraden Schwanz sah, wiegte er bedächtig den Kopf und seufzte ab und zu und dachte lange nach. Schließlich sagte er: „ Wir werden seinen Schwanz festbinden müssen. Jeden Tag ein wenig mehr, bis er eines Tages rund und biegsam ist, wie es sich für ein richtiges Eichhornbaby gehört. Ich schicke euch heute noch, bevor die Sonne hinter dem Brombeerbusch untergeht, meine beste Krankenschwester, Fräulein Maus!" Die Eltern bedankten sich beim alten Doktor und traten, betrübt und erleichtert zugleich, den langen Heimweg an.
Zuhause angekommen, legten sie ihr süßes Baby in seine Wiege und gaben ihm seine Nussmilch zu trinken. Dann bereitete Mama Eichhorn das Abendessen für die Familie zu. Es gab geröstete Nüsse in Löwenzahnsoße und Gänseblümchensalat. Kaum dass die Teller leergegessen waren, klopfte es zaghaft an der Baumrinde. Der Papa lief zum Höhleneingang und sah dort eine schüchterne zierliche Maus stehen. „Guten Abend, Herr Eichhorn! Ich bin die Krankenschwester, Doktor Eule schickt mich zu ihnen." „Bitte sehr, treten Sie doch ein, wir haben Sie erwartet." Die Maus nahm ihre aus Gras geflochtene Tasche hoch und huschte in den Baumstamm hinein. Mama Eichhorn hatte derweil schnell die Holzteller abgeräumt und wischte sich die Pfoten an der Schürze ab. „Wir sind ja so froh, dass Sie gekommen sind, liebes Fräulein Maus! Unser armes Baby liegt nebenan in der Schlafkammer." Leise betraten sie zu dritt die Kammer, während der Bruder aus der Baumhöhle herausschlüpfte, um mit seinen Freunden zu spielen. Das Baby aber schlief gar nicht in seiner Wiege, es schaute
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