Miras Welt (Mira und Melissa) (German Edition)
vergnügt umher und staunte über die Maus. So ein seltsames Geschöpf hatte es noch nie gesehen – es war ja auch erst 2 Tage alt... Fräulein Maus machte sich sogleich an die Arbeit. Das Baby war genauso groß wie sie, aber flink hatte sie den Verband angelegt und bog den Schwanz nach innen. Das Baby fing an zu weinen und verstand die Welt nicht mehr. Die Eichhorneltern trösteten es so gut sie konnten. Fräulein Maus aber sagte: „Von nun an komme ich jeden Abend und ziehe den Verband etwas fester, damit der Schwanz in seine naturgewollte Form wachsen kann. Dabei dürfen wir nicht nachlässig werden, sonst wird ihr Kind nie ein richtiges Eichhörnchen."
Mama Eichhorn fing an zu weinen, sie konnte den Gedanken nicht ertragen, dass ihrem lieben Kind jeden Tag Schmerz zugefügt werden sollte. Papa Eichhorn war auch sehr traurig, aber er konnte es nicht zeigen, denn ein richtiger Eichhornmann darf nicht weinen, dachte er. „Frau, bring du unser Kind zu Bett – ich besuche jetzt Herrn Specht, unseren Nachbarn!" Sprach´s und ging.
Am nächsten Tag, als Herr Eichhorn seiner Arbeit als geprüfter Nüsse-Sammler nachging und der Bruder in der Waldschule war, kam Oma Eichhorn zu Besuch und sagte ihrer Tochter: "Komm, lass uns mit dem Kleinen im Wald spazieren gehen. Es wird uns alle etwas ablenken." Und als sie so dahingingen, begegnete ihnen die vornehme Nachtigall, die über die Waldgrenzen hinaus bekannt als Sängerin war (es hieß, sogar die Menschen würden ihrem Gesang lauschen!). Angeblich hatte sie schon im Ei gesungen – aber DAS war nun doch nicht ganz glaubwürdig... Die stachelige Frau Igel begleitete die stolze Nachtigall.
"Guten Tag, Frau Eichhorn! Guten Tag Großmutter Eichhorn! Was haben Sie da für ein süßes Baby?" Mama Eichhorn hob freudestrahlend ihr Kind aus dem Tragebeutel, um es zu zeigen. "Was ist denn das???" riefen Frau Nachtigall und die Igelin wie aus einem Mund. "Es hat ja einen ganz geraden Schwanz und auch noch einen dicken hässlichen Verband!" "Nein, welch ein Unglück!" rief die Nachtigall ganz schrill, was gar nicht zu ihrer schönen Singstimme passte. "Und das in UNSEREM Wald!" Die Igelfrau stichelte drauflos: "Das ist sicher ihre eigene Schuld. Sie hat wohl faule Nüsse gegessen oder zu viel Brombeerwein getrunken, als sie ihr Kind unterm Herzen trug?"
Mama und Großmutter Eichhorn waren sprachlos ob soviel Boshaftigkeit. Großmutter rief: "Sie sollten sich was schämen, mein armes Kind so zu kränken – sie hat es so schon schwer genug!" Aber Frau Nachtigall und Frau Igel taten so, als ob sie es nicht gehört hätten und gingen tuschelnd ihres Wegs. Mama und Oma Eichhorn hatten nun keine Freude mehr am Waldspaziergang. Sie gingen geradewegs weinend nach Haus und zeigten keiner Tierseele mehr das Baby.
Wie versprochen, kam Abend für Abend Fräulein Maus und wickelte den Verband etwas strammer, so dass das arme Schwänzchen sich biegen musste. Und das Eichhornkind begann, die Abende zu fürchten. Eines Tages sagte dann Fräulein Maus zur Eichhornmutter, sie müsse sich nun leider auf eine weite Reise begeben, um Mäuserich Karl-Otto zu pflegen, der ihr Bruder war und einer Katze in die Quere gekommen war.
Von nun an musste also die Eichhornmutter abends den Verband selber wickeln und niemand mochte ihr dabei helfen. Das Eichhornbaby wurde von Tag zu Tag unleidlicher und die Mutter immer dicker, weil sie vor lauter Kummer und Schlaflosigkeit den Wintervorrat an Nüssen und Eicheln anknabberte.
Vater Eichhorn konnte das Elend nicht länger mit ansehen und ging fast jeden Abend zum Nachbarn hinüber, um mit ihm ein Pfeifchen zu rauchen und ein Glas Himbeerwein zu trinken, den der Nachbar so vorzüglich zu keltern verstand.
Der Eichhornbruder aber, der war treu und lieb und spielte mit dem Babybruder Tag für Tag.
Aber einen Trost gab es für die Familie: Das kerzengerade Schwänzchen war nicht mehr ganz so gerade. Nein, es wurde immer runder, biegsamer und hübscher!
Eines Tages war es dann so weit: Das Eichhornkind, das schon lange kein Baby mehr war, war gesund und unterschied sich nicht mehr von seinen Spielkameraden, von denen es freilich nur einige wenige hatte, denn: Wer spielt schon gerne mit einem Eichhörnchen, das mal einen kerzengeraden Schwanz gehabt hatte!
Mama und Papa Eichhorn waren nun sehr glücklich, dass ihr Kind nun wie die anderen auch von Eiche zu Eiche springen konnte, ohne zu fallen. Und auch die Großmutter war selig und der Bruder war
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