Miras Welt (Mira und Melissa) (German Edition)
Deutschland nicht studieren?“
Er schüttelte den Kopf. „Nein, kann man auch nicht wirklich. Hier muss man erst Biologe werden, bevor man sich dann spezialisiert. Aber ich studiere nicht hier, sondern an der James Cook University in Australien.“
Meine Augen wurden groß. Ich gaffte ihn ungeniert und voller Bewunderung an. „Das ist das Interessanteste, was ich an Berufsplänen jemals gehört habe.“
„Und was machen Sie, Melissa? Wenn Sie nicht gerade bei alten Damen im Garten in Ohnmacht fallen?“
„Oh, Sie sind unfair im Vorteil, ich kenne ihren Namen nicht!“
„Ich bitte zutiefst zerknirscht um Entschuldigung.“ Er lächelte und verbeugte sich leicht. „Ich heiße Valerius Mergenthaler.“
Was für ein wunderbar altmodischer und durchaus männlicher Name, dachte ich im Stillen.
„Also, Valerius – wenn ich nicht gerade in Ohnmacht falle, falle ich anderen Leuten auf die Nerven. Ich bin Journalistin, interviewe interessante Menschen und schreibe dann eine Reportage oder einen Artikel. Ich bin beim Magazin „FRiZ“ angestellt.“
Valerius suchte in meiner Schachtel nach mehr Nougat, musste sich aber geschlagen geben. „Kenn´ ich“, murmelte er. „Frauen in der Zeitenwende“. Meine Mutter und meine drei Schwestern lesen das.“
„Ich bin entzückt! Und wie finden Sie FRiZ?“ fragte ich gespannt.
„Nie gelesen.“ Er grinste mich wieder entwaffnend offen an. „Nicht meine Welt. Ich muss jetzt leider weiter. Es war schön, Sie bei vollem Bewusstsein ein zweites Mal kennenzulernen, Melissa.“
„War auch schön, Sie kennenzulernen, Valerius. Nochmals tausend Dank. Und guten Flug nach Australien! Grüßen Sie die Kängurus von mir.“
Er lachte nur und verschwand in der Menge. Ich sah ihm noch ein Weilchen nach und dachte dann über den missglückten Vormittag nach.
Ob ich Erika gegenüber wohl unfair gewesen war? Ich überdachte meinen unbeherrschten Abgang im Café, vielleicht hatte ich ja überreagiert?
Sei´s drum, ich konnte es nicht mehr ändern. Ich blieb noch eine Weile sitzen, bis es Zeit wurde, zu Max zu gehen und meine Einkäufe zu verstauen. Für Mira hatte ich als Mitbringsel eine CD mit „Engelmusik“ ausgewählt. Ich hoffte, die würde ihr gefallen.
Weil Max den Weg inzwischen gut kannte, erlaubte ich mir, meinen Gedanken nachzuhängen. Was erhoffte ich mir eigentlich von der Kartenlegung? Ich war einem Impuls gefolgt, als ich mir den Termin dazu geben ließ. Früher, also vor der Begegnung mit Mira und ihren erstaunlichen Visionen, wäre ich dafür nicht offen gewesen. Mein Weltbild hatte sich geändert, erweitert.
Das Wetter besserte sich zusehends. Die angekündigten Schauer waren ausgeblieben, zumindest hier in der Region. So war das Fahren sehr angenehm und ich kam exakt um 14.57 Uhr bei Mira an. Inzwischen blühten deutlich weniger Rosen am Gartentor, aber es war immer noch schön, durch dieses prachtvolle Tor zu gehen. Bevor ich an der Tür schellte, nahm ich die hübsch verpackte CD in die linke Hand. Die restlichen Einkäufe, meine „Beute“, hatte ich sicher im Kofferraum verstaut.
Es dauerte ein paar Minuten, ehe Mira die Tür öffnete.
„Guten Tag, Melissa. Schön Sie zu sehen. Kommen Sie doch bitte rein und gehen Sie gleich durch ins Gästezimmer.“
Ihre hübschen, fast vollständig weißen Löckchen hingen heute etwas schlaff herunter und sie sah müde aus, gar nicht so frisch, wie ich sie von unserer letzten Begegnung in Erinnerung hatte. Ich ging vor ins Gästezimmer, nahm in der kleinen Sitzgruppe am Fenster zum Garten Platz und legte das kleine Geschenk ab. Auch heute stand ein frischer Blumenstrauß auf dem Tisch und verbreitete einen sanften Duft.
„Ich habe Ihnen eine Kleinigkeit mitgebracht, Mira.“ Lächelnd schob ich die kleine Gabe über den Tisch zu ihr. Sie nahm das Päckchen erfreut auf und bedankte sich herzlich. „Ich werde es später auspacken. Jetzt möchte ich mich zuerst auf die Karten konzentrieren. Melissa, was führt Sie heute zu mir?“
„Ach, ich weiß nicht so recht. Irgendwie ist bei mir alles, aber auch alles in der Schwebe. Ich fühle mich etwas orientierungslos. Mein Leben schien in festen Bahnen zu sein, doch in den letzten Wochen ist so viel geschehen, was mich verunsichert. Ich möchte so gern wissen, wie es jetzt weitergehen kann, was auf mich zukommt. Habe ich denn irgendwas falsch gemacht?“ Ich musste tief seufzen und ich fühlte die Last der Ungewissheit auf meinen Schultern. „Darf ich das
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