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Miras Welt (Mira und Melissa) (German Edition)

Miras Welt (Mira und Melissa) (German Edition)

Titel: Miras Welt (Mira und Melissa) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlies Lüer
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handelte sie nicht immer sofort danach.
    Nachdem sie die untere Etage des Hauses restlos in den Zustand vor dem Fest zurückversetzt und dabei eine fremde Brille hinter dem Sofakissen und einen bunten Seidenschal auf der Fensterbank gefunden hatte, ging sie zum Briefkasten und holte ihre Post und die Tageszeitung rein.
    Da war die Telefonrechnung, diverse Werbeschreiben und ein Brief von Johanna Fink. Oh!
    Mira setzte sich in ihren roten Sessel und nahm den Brieföffner zur Hand, öffnete vorsichtig den Umschlag und setzte ihre Lesebrille auf.
    Liebe Mira,
    ich wende mich heute vertrauensvoll an Sie, weil ich nicht mehr ein noch aus weiß. Wenn es nicht zu viel verlangt ist und Ihre Zeit es erlaubt, möchte ich Sie bitten, mir Gehör zu schenken und aus Ihrer Lebenserfahrung heraus mir zu helfen, mich selber besser zu verstehen.
    In der Zeit nach Ihrer liebevollen Beratung in der Gegenwart der Engel, ging es mir so gut wie seit Jahren nicht mehr. Eine Last war von mir genommen und ich blühte auf, machte Pläne, setzte diese auch in die Tat um. So werde ich also nach Sylt umziehen, in die Nähe meiner Schwester und meines Schwagers. Doch jetzt habe ich Zweifel, denn die Depressionen sind zurück und vor allem: Ich leide unter einer neu entflammten, zermürbenden Trauer um meinen Erstgeborenen, und um meinen Geliebten, der Gottes Gesellschaft der meinen vorzog. Ich kann es nicht verwinden, dass ich ihn quasi durch ihre Vision wiederfand und im selben Moment erneut verlor. Tot! Alle tot! Warum bin ich noch hier?
    Liebe Mira, wenn ich Sie mit meinen Klagen nicht allzu sehr belästigt habe, dann würde ich mich sehr freuen, von Ihnen zu hören. Mein Gefühl sagt mir, dass bei Ihnen noch ein Schatz liegt, der gehoben werden kann.
    Hochachtungsvoll, und dankbar, dass es Sie gibt,
    grüßt Sie
    Johanna Fink
    Mira setzte ihre Brille ab und legte den Brief auf den Tisch. Sie hatte etwas in der Art von Johanna erwartet, wenn auch nicht so bald. Sie wusste aus eigenem Erleben, dass Trauer in Wellen kommt und geht und auch wie ein Raubtier hinterrücks zum scheinbar vernichtenden Schlag ausholen kann. Es gab diese Zeiten, in denen man sich sicher wähnte und sich selber lebendig fühlte, obwohl Teile des Selbst „mitgestorben waren“. Eine Illusion, und doch keine Illusion. Nur geliehene Zeit zum Erholen, bevor der Tanz mit der Trauer zu einer unhörbaren Musik in Moll weiterging, egal ob man die Kraft zum Tanzen verspürte oder nicht.
    Den Brief legte sie zur Seite. Sie wollte erst über ihre Antwort gründlich nachdenken, auch darüber, inwieweit sie sich involvieren lassen wollte.
    Um die Mittagszeit überprüfte Mira ihr E-Mail-Programm, ob schon eine Antwort von ihrem Sohn gekommen war.
    Ja! Sie doppelklickte auf die Zeile in der Vorschau und die Mail öffnete sich.
    „Liebes Mamchen, keine Sorge – ich kümmere mich sofort darum! Ich bin wieder in Europa und besuche dich sehr bald. Ich rufe dich vorher an.
    Dein Markus“
    Erleichtert atmete Mira auf. Sie vertraute fest darauf, dass sich nun alles fügen würde. Was Johanna und deren Ansinnen anging, so hatte sie schon eine erste Möglichkeit gefunden.
    Mira schrieb:
    Liebe Johanna!
    Ihr Vertrauen ehrt mich und ich möchte Ihnen dafür danken. Ihre Verzweiflung kann ich gut nachvollziehen, in der fernen Vergangenheit habe ich Ähnliches durchlebt. Meine Erfahrungen und Schlussfolgerungen hatte ich vor einigen Jahren in einem Büchlein namens „Über die Trauer“ zusammengefasst. Ich schicke es heute mit den besten Wünschen zu Ihnen, in der Hoffnung, dass es Ihnen, liebe Johanna, gangbare Wege aufzeigen möge.
    Mit freundlichen Grüßen, Ihre Mira Mertens
    Kaum hatte sie den Briefumschlag gefüllt, die Adresse im Telefonbuch gefunden und den Brief mit einer Marke versehen, klingelte es an der Haustür.
    Mira nahm den Brief mit auf dem Weg zur Tür, legte ihn im Flur ab und öffnete.
    „Ramona, schön dich zu sehen! Komm rein, meine Liebe. Was führt dich denn zu mir?“
    „Oh, zwei Dinge sind es, mindestens zwei, Mira. Ich glaube, ich habe gestern meine Brille hier liegen lassen. Und ich möchte dir nochmals danken für das Fest, ganz privat. Hier, für dich!“
    Sie holte einen Blumenstrauß und eine Schachtel Pralinen aus ihrer Tasche. „Und ich habe noch ein großes Anliegen an dich, offen gesagt.“
    „Nun, dann lass uns mal in die Küche gehen. Ich setze uns einen Tee auf oder magst du lieber einen Kaffee?“ Mira ging mit kleinen Schritten Richtung Küche,

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