Miras Welt (Mira und Melissa) (German Edition)
sich in meinem See und es war hier eine Lichtfülle, die mich förmlich elektrisierte. Nie zuvor fühlte ich mich so lebendig, so verbunden mit allem was ist, was war und immer sein würde. Hier war die Schönheit, deren Teil ich sein durfte, noch größer als in meinem Seelengarten. Das Bild, das sich mir bot, war unerträglich schön. Alles Irdische verblasste neben diesem zur Bedeutungslosigkeit, dachte ich.
Das Irdische mag weitaus weniger glanzvoll sein, mein liebes Kind, aber bedeutungslos? Oh nein. Es ist von größerer Bedeutung für das spirituelle Wachstum der menschlichen Seelen, als du es ahnen kannst. Lass dich nicht blenden von der lichtvollen Schönheit dieses Ortes. Beides ist gleichwertig!
Ich möchte dich bitten, deine Aufmerksamkeit wieder deinem Lavendelmondsee zu schenken. Jetzt kommen wir zu der Lektion. Betrachte in der Tiefe die Funken und schau, was du dort noch findest.
Nur schwer konnte ich mich lösen von der Schönheit, die über mir lag. Mit einem leisen Seufzen senkte ich meinen Kopf und schaute ins violett schimmernde Wasser. Dort sah ich die strahlenden Funken wie ein Netzwerk, sie waren alle untereinander verbunden, ähnlich wie die Neuronen im Gehirn. Sie tauschten sich aus. Ich hörte das Flüstern und Summen und spürte ein gemeinsames Wachstum und Freude, so viel Freude am Lernen. Auch konnte ich fühlen, was diese Menschen im Innersten bewegte. Ich spürte Kummer, Trauer, Verlust, Angst, Zweifel, das Bedürfnis nach Aussprache. Ich sah nun aber auch viele Funken, die nicht mit dem Netz und seinem Mittelpunkt verbunden waren. Sie glitten matt und suchend durchs Wasser und wollten andocken. Aber irgendwas schien zu fehlen, machte es für sie unmöglich, Teil dieses Netzwerkes zu werden. Warum war das so?
Du bist der Grund dafür. Du hast es ihnen verwehrt, ohne es zu wissen oder zu wollen.
„Wie meinst du das? Warum sollte ich sie abweisen?“ Ich war irritiert.
Du tust es nicht bewusst. Die Antwort auf deine Frage findest du im Bild des Abgrundes, den du noch nicht erforscht hast auf deiner Seelenreise. So hoch und lichtvoll diese Berge und der Sternenhimmel in dir sind, so tief und dunkel ist auch der Abgrund deiner Seele.
Als wir wieder unter dem Baum auf der Wiese standen, hatte ich einen Stein in der Hand. Er schimmerte violett. Ich legte ihn in die kleine Schatztruhe, die mittlerweile schwer in meiner Hand wog. Allmählich wurde ich müde. Darum setzte ich mich ins weiche Gras, stellte die Truhe neben mir ab und legte auch die Karte aus der Hand.
Nun verblieben noch das Meer aus Licht, wovor mein Engel mich am Anfang der Reise gewarnt hatte, und der Abgrund. Beides mochte ich nun nicht mehr ansehen. Ich war müde und übersatt und in mir schwirrten zu viele Gedanken und Emotionen, als dass ich ihrer Herr werden konnte. So vieles hatte ich über mich, über meine Seele erfahren. Fern der Erde war ich jetzt, ich hatte kaum noch Bezug zu ihr und meinem menschlichen Leben. Ich wollte gern völlig loslassen und mich in meinem Garten schlafen legen. Bitte, für lange Zeit schlafen, wenn nicht für immer. Meine Augen fielen mir zu. Nach einigen Minuten der köstlichen Ruhe spürte ich, wie etwas an mir zerrte, wie die Erde unter mir sich auftat, mich hinabzerrte in ein lichtloses Dunkel und meine Lebenskraft auspresste, mir jede Freude nahm. Wo war ich nur? Ich war im Abgrund! Hilfe! Ich brauche Hilfe! Hört mich niemand? Ich bin in einen Abgrund gefallen! Helft mir doch!
In mir entstand jetzt ein Bild. Es zeigte mir einen Traum, den ich träumte, als meine Kinder noch klein waren. Ich befand mich mit meinen engsten Verwandten auf einer Art Aussichtsplattform. Durch das große Fenster konnte man eine hohe Bogenbrücke aus Stein sehen. Sie hatte Ähnlichkeit mit dem ersten Buchstaben meines Vornamens: m
Auf der Brücke waren zwei Bauarbeiter, auf jedem Brückenbogen einer. Sie hatten einen Presslufthammer in ihren kräftigen Männerhänden und arbeiteten sich durch den Stein hindurch. Mit Entsetzen sah ich, wie der erste Arbeiter den Durchbruch schaffte und in die Tiefe stürzte. Er stürzte in seinen Tod! Er lag zerschmettert in einer Blutlache unter dem ersten Bogen der Brücke. Aufgeregt versuchte ich den zweiten Arbeiter zu warnen, damit es ihm nicht genauso erging. Ich fühlte genau, wenn auch er stürzt, dann stürze ich mit, sterbe ich auch! Er hörte mich nicht, er sah mich nicht. Genau wie meine Mutter und Schwestern und andere mir nahe stehenden Menschen. Sie
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